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Archiv-Artikel

Das Hundeleben geht weiter – bis 2013

Nach der bayerischen Landtagswahl 2008 will Edmund Stoiber „keine halben Sachen machen“. Doch die Regie ist dem Ministerpräsidenten längst entglitten. Neben dem Briten Cameron, Gaststar der Kreuther CSU-Tagung, sieht er ziemlich alt aus

In fast allen Fragenist David Cameron anderer Meinungals sein Gastgeber

AUS BAD KREUTH LUKAS WALLRAFF

Er ist gekommen, um ein wenig Glanz nach Wildbad Kreuth zu bringen. David Cameron ist jung, dynamisch und so erfolgreich, dass ihn viele schon für den nächsten britischen Premierminister halten. So einen Ehrengast kann die CSU gut gebrauchen – nach dem peinlichen Kleinkrieg zwischen dem eigenen Ministerpräsidenten und einer aufsässigen Landrätin aus Fürth. David Cameron statt Gabriele Pauli: Das verheißt Weltpolitik statt Provinztheater. Wenigstens für ein paar Minuten kann Edmund Stoiber so tun, als wäre alles wie früher. Kreuth, sagt er stolz, sei „immer wieder ein Ort für Gespräche mit interessanten, internationalen Gästen“.

Die Regie ist Stoiber jedoch entglitten. Was aus Kreuth und über ihn selbst berichtet wird, bestimmen längst andere. Noch während der Pressekonferenz mit Cameron wird gemeldet, Stoiber habe im engsten Führungskreis der CSU mit seinem Rücktritt gedroht. Entweder ihr sagt öffentlich, dass ich über 2008 hinaus Ministerpräsident und CSU-Chef bleiben soll – oder ich schmeiße alles hin. So oder so ähnlich soll Stoiber die wichtigsten Parteikollegen am Samstag unter Druck gesetzt haben.

Natürlich lässt er das sofort dementieren, und auch einige Insider bezweifeln, dass es gar so dramatisch zuging. Aber das nützt wenig. Es kommt nicht mehr darauf an, ob die Geschichte von der Rücktrittsdrohung stimmt. Für Stoiber ist schon die Meldung an sich eine Katastrophe, weil sie nur aus dem engsten Führungskreis gestreut worden sein kann. Und das bedeutet: Jemand will ihn bloßstellen. Ein Vertrauensbruch sofort nach der Vertrauenserklärung, die das Präsidium am Montag abgab.

Die offensichtlich heuchlerischen Treueschwüre für Stoiber scheinen nur noch eine so lange Haltbarkeitsfrist zu haben wie die Feststellung von Wirtschaftsminister Michael Glos, der bei seiner Ankunft gesagt hatte: „Das Wetter ist schön hier in Kreuth.“ Schon in der Nacht beginnt es zu regnen. Als Stoiber seinem Gast Cameron die schöne bayerische Winterlandschaft zeigen will, ist der Himmel grau und der Schnee taut.

Drinnen im Saal bewahrt Stoiber Haltung. Breitbeinig und mit hochgerecktem Kinn steht er auf der Bühne mit Cameron, dem Heilsbringer. Doch auch das, was der Parteichef der britischen Konservativen zu sagen hat, passt nicht so recht zur „legendären Geschlossenheit“, die alle CSU-Größen bei ihrer Klausurtagung unablässig beschwören. Cameron ist in so gut wie allen internationalen Fragen anderer Meinung als sein Gastgeber. Er ist für den EU-Beitritt der Türkei und für den Einsatz der Bundeswehr im Süden Afghanistans.

Erst am Ende der Pressekonferenz kann sich Stoiber freuen. Camerons Besuch hat sich für ihn doch noch gelohnt. Ausgerechnet dem Gast aus England fällt das bisher beste Argument dafür ein, warum Stoiber seiner Regentschaft in Bayern keine Grenzen setzen sollte. Nichts, sagt Cameron, habe dem amtierenden Premierminister Tony Blair so geschadet wie seine Ankündigung, nach der laufenden Amtsperiode aufzuhören.

Seit diesem Moment sei Blair nur noch eine „lame duck“, und das habe auch das ganze Land gelähmt. Stoiber scheint innerlich aufzuspringen. Auch die nächste Journalistenfrage kommt wie gerufen. Ob er denn vorhabe, nach der Landtagswahl 2008 die gesamte nächste Amtszeit zu absolvieren, will einer wissen. „Ich weiß nicht, ob Sie mich kennen“, antwortet Stoiber plötzlich wieder von oben herab. „Die mich aus München kennen, wissen, dass ich keine halben Sachen mache.“

Was mich nicht umbringt, macht mich nur härter: So versucht Stoiber, seine bislang schwerste Krise zu meistern. Weitere Debatten über sein Verhalten in der Pauli-Affäre und seine Zukunftsplanung erklärt er für überflüssig. „Es geht jetzt darum, den Blick nach vorn zu richten.“ Gesundheitsreform, Unternehmensteuern, all das sei „wichtiger als die Fragen, die der eine oder an- dere gegenwärtig diskutiert“.

Nicht verhindern kann Stoiber allerdings, dass die bestellten Solidaritätserklärungen der Parteiführung auch in den eigenen Reihen kaum als Befreiungsschlag empfunden werden. Im Gegenteil. „Wer so etwas braucht, ist geschwächt“, sagt Hans-Peter Uhl, innenpolitischer Sprecher der Union. Und viele unken: „Umfragen unter 50 Prozent – und es ist aus.“ Schon nächste Woche dräut bei der Klausur der Landtagsfraktion neues Ungemach. Auf Arroganz reagieren viele Abgeordnete inzwischen allergisch.

Aber gegen Angriffe hat Stoiber noch ein anderes Mittel: Selbstmitleid. Er habe „gelitten wie ein Hund“, hat Stoiber vor einem Jahr gesagt, als ihn Parteifreunde für seinen abgeblasenen Umzug nach Berlin kritisierten. „Was ist das für eine Partei, die sich solch einen altersstarren blöden Hund leistet“, soll Stoiber am Montag im Präsidium gesagt haben. „Entweder man beendet die Diskussion, oder alles ist im Eimer.“ Vom Hof jagen lassen will er sich nicht. Das hat Stoiber deutlich gemacht. Doch auf seine Höflinge kann er sich nicht mehr verlassen. Das Hundeleben geht weiter.