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Archiv-Artikel

Eine Schulstunde kann 30 Minuten dauern

Niedersachsens Schulen sollen künftig eigenverantwortlicher über Schulstunden, Klassenarbeiten oder Hausaufgaben entscheiden. Doch selbst der Koalitionspartner FDP kritisiert die Pläne von Kultusminister Bernd Busemann (CDU)

Weniger Klassenarbeiten, flexible Stundendauer – die 3.700 Schulen in Niedersachsen sollen künftig vieles selbst entscheiden können. „Wir wollen die Schulen schrittweise in die Eigenverantwortung führen“, sagte Kultusminister Bernd Busemann (CDU) gestern bei der Vorstellung seiner Pläne für eine neue Schulverfassung. Ab dem Schuljahr 2007/2008 werden zunächst Gymnasien und Gesamtschulen „eigenverantwortlich“, in zwei Jahren auch Grundschulen, Busemann will 42 von insgesamt 190 Erlassen wegfallen lassen.

Eine Schulstunde kann danach künftig auch 30 oder 60 Minuten dauern, die Schulen können entscheiden, ob sie samstags unterrichten. Ein Erlass, der die Dauer der Hausaufgaben für Grundschüler auf bis zu 45 Minuten und für Gymnasiasten auf bis zu zwei Stunden täglich beschränkt, werde gestrichen. Auch die Zahl der vorgeschriebenen Klassenarbeiten will Busemann senken: Während derzeit in Hauptfächern fünf bis sieben Tests pro Halbjahr geschrieben werden müssen, sind künftig nur noch mindestens zwei vorgesehen. Noten soll es weiter geben, zentrale Prüfungen und Schulinspektoren die Einhaltung der Standards gewährleisten. Er gehe „ganz offen“ in die bevorstehenden Gesetzesanhörungen, sagte Busemann. Doch schon nörgelt der Koalitionspartner.

„Es sieht nicht so aus, als ob die Schulen auf den 1. August 2007 vorbereitet sind“, sagt der FDP-Schulexperte Hans-Werner Schwarz. Er vermisst eine angemessene Honorierung der Schulleiter, die künftig Lehrer einstellen oder befördern sollen. Außerdem ist der Liberale dafür, das Gewicht des Rektors im Schulvorstand zu stärken.

Die Opposition ist noch kritischer: Schulen sollten auch den Unterricht selbst gestalten können, forderte Ingrid Eckel von der SPD. „Enttäuschend“ findet die Grüne Ina Korter, dass zwar Erlasse zum Volkstrauertag gestrichen werden, aber Regelungen über die pädagogische Arbeit im Kern unverändert blieben. Es reiche auch nicht aus, die Mindestzahl der Klassenarbeiten zu reduzieren. Schüler bräuchten „neue, individuelle Formen der Leistungsdokumentation und -bewertung“. Die Lehrergewerkschaft GEW fürchtet gar, dass die Deregulierung auch ein Ende der Qualität an den Schulen bedeuten könnte. Die neue Schulverfassung sei „autoritär“ sagte GEW-Landeschef Eberhard Brandt. Der Rektor bekomme zu viel Macht, zudem werde er mit beamten- und arbeitsrechtlichen Problemen „überladen“. Kai Schöneberg