: Armee-Offensive in Assam
Nach Massakern an Zivilisten im Osten Indiens geht Militär gegen Rebellen der ULFA vor
DELHI taz ■ Im nordostindischen Bundesstaat Assam hat die indische Armee eine Offensive gegen Verstecke und Stellungen der „United Liberation Front of Assam“(ULFA) begonnen. Die Militäroperation beantwortet eine Welle von Attentaten, bei der seit vergangener Woche mindestens 70 Menschen starben und die der ULFA zur Last gelegt werden. Die Rebellen kämpfen seit 1979 für ein unabhängiges Assam. Die jüngsten Massaker sind die blutigsten seit 2000.
Das Zentrum der Gewalt liegt im östlichen Teil der Region an der Grenze zu Burma, wo viele hindisprachige Migranten in Ziegeleien arbeiten. Die Wanderarbeiter, die zum Ziel der neuesten Anschläge wurden, kommen aus dem verarmten Bundesstaat Bihar. Sie hausen zumeist in Hüttensiedlungen und sind den oft aus Fahrzeugen abgegebenen Schüssen schutzlos ausgeliefert. Auch gestern flüchteten weitere Migranten aus der betroffenen Region. Gleichzeitig musste die indische Bahn den Zügen nach Assam im Transit durch Bihar Begleitschutz geben, um Vergeltungsakte zu vermeiden.
Die neue Gewalt folgt einige Monate nach dem Zusammenbruch eines Waffenstillstands und Gesprächen zwischen den Konfliktparteien. Dass nun Migranten aus Bihar zur Zielscheibe der ULFA werden, zeigt nach Ansicht von Beobachtern, wie stark die ULFA militärisch geschwächt ist und wie sehr ihre Popularität und die Rückendeckung aus dem Volk gelitten haben.
Traditionell sind es die aus Bangladesch illegal eingewanderten Muslime, die die Assam-Nationalisten zum Hauptfeind erklärt haben. In den letzten Jahren ist aber ausgerechnet Bangladesch zur wichtigsten Schutzzone der ULFA geworden, und die Führungsspitze wird von Delhi seit langem in Dhaka vermutet. Die indische Regierung sieht in der klammheimlichen Unterstützung durch Bangladesch einen Ausdruck des tiefen Misstrauens, das der kleine Nachbar gegenüber dem großen Bruder empfindet. Sie wittert dahinter auch die Hand des pakistanischen Geheimdienstes ISI, der regionale Ressentiments nutzt, um die regionale Hegemoniemacht mit ‚tausend kleinen Messerstichen‘ zu schwächen.
Die Reaktionen Delhis lassen erkennen, dass es nicht bereit ist, die Terrorakte und deren Unterstützung aus dem Ausland als Teil eines jahrzehntealten Kleinkriegs weiterhin zu tolerieren. Verteidigungsminister A. K. Antony besuchte gestern in Begleitung des Armeechefs die Region. Die schwere Provokation der ULFA rufe nach einer entsprechenden Reaktion, sagte er. Zusätzlich zu den dort stationierten Truppen wurden 3.000 Mann in die betroffenen Bezirke verlegt. Dies ist auch deshalb nötig, als im nächsten Monat in Assam die Nationalen Sportspiele stattfinden sollen, die die ULFA bereits zum legitimen Angriffsziel erklärt hat. BERNARD IMHASLY