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Archiv-Artikel

Gesundheitsreform geht in die letzte Runde

Bundesregierung lehnt von 104 Änderungswünschen der Länder rund zwei Drittel ab und hält am Terminplan fest

BERLIN taz ■ Seit fast einem Jahr geht die Bundesregierung mit der Gesundheitsreform schwanger, und noch immer ist die Kanzlerin „sehr guter Hoffnung“. Angela Merkel (CDU) stellte gestern in Aussicht, dass die noch offenen Fragen in den nächsten Tagen geklärt würden. Eine Entscheidung in dieser Woche sei gleichwohl nicht zu erwarten.

Obwohl sich Union und SPD in Beteuerungen überbieten, dass die Reform wie geplant zum 1. April in Kraft treten werde, haben sie ihre grundlegenden Differenzen nicht beigelegt. Das betrifft insbesondere den geplanten Basistarif, den die Privaten Krankenversicherungen (PKV) künftig zu bezahlbaren Prämien anbieten müssen.

Der Bundesrat, den die unionsgeführten Länder dominieren, hatte Veränderungen an diesem Basistarif gefordert und darüber hinaus verlangt, die Veränderungen für die Privatkassen auf das Jahr 2009 zu verschieben. Die Versicherungsunternehmen, deren Interessen die Länder in diesem Fall vertreten, hoffen heimlich darauf, dass dieses Reförmchen dann zusammen mit dem Gesundheitsfonds beerdigt wird. In einer offiziellen Stellungnahme lehnte das Bundeskabinett gestern von 104 Änderungswünschen des Bundesrats rund zwei Drittel ab. Auch gegen eine Verschiebung sprach sich die Regierung aus.

Innen- und Justizministerium haben in einem Gutachten verfassungsrechtliche Bedenken gegen die geplante Reform beiseitegeräumt. Dem Gutachten zufolge sind Eingriffe in das Geschäftsmodell der privaten Krankenversicherung zulässig, wenn sie dem Gemeinwohl dienen – in diesem Fall dem Ziel, alle Personen mit einer Krankenversicherung zu versorgen. Die Versicherten der privaten Krankenkassen haben nach Einschätzung der Regierungsfachleute durch die Reform keine übermäßigen Prämiensteigerungen zu erwarten.

Für die rund 70 Millionen gesetzlich Versicherten klingen die Nachrichten weniger beruhigend. Die Spitzenverbände der Krankenkassen gaben gestern bekannt, dass die Beiträge in diesem und in den kommenden Jahren weiter steigen würden. So könnte der Beitragssatz im Jahr 2009 durchschnittlich 15,3 Prozent betragen. Um das zu vermeiden, fordern die Verbände ein Soforthilfeprogramm in Höhe von 10 Milliarden Euro für die gesetzliche Krankenversicherung. ANNA LEHMANN