: 2006 gut, Regierung gut, 2007 auch gut
Bundeskanzlerin Merkel und Vizekanzler Müntefering ziehen die Ein-Jahres-Bilanz der großen Koalition. Die SPD erwägt ein Kombilohnmodell für bis zu 460.000 Beschäftigte, die Hartz IV beziehen. Die Kanzlerin zeigte sich zunächst nicht abgeneigt
VON HANNES KOCH
Nicht lange aufhalten wollte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gestern mit der Bilanz ihres ersten Regierungsjahres. Die sei gut, erklärte sie mit dem Hinweis auf die sinkende Zahl der Erwerbslosen. Nach der Klausursitzung des Kabinetts ging es der Regierungschefin eher um das, was kommt: jede Menge neuer Gesetze, aber kein sozialer Hammer.
Beruhigung nach außen, Harmonie nach innen waren angesagt. Und das auch an einem potenziell konfliktträchtigen Punkt – dem am vergangenen Wochenende vom SPD-Parteitag beschlossenen Plan „Bonus für Arbeit“. Neben Merkel am Rednerpult im Kanzleramt stehend, sagte Vizekanzler und Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD), er überlege ein Kombilohnmodell für bis zu „460.000“ Beschäftigte, die gleichzeitig Hartz IV erhalten. Mit solch großen Zahlen ist die Union sonst eher vorsichtig. Nun aber stand sie im Raum – und Merkel gab sich keine sonderliche Mühe, den großen Wurf zu beschränken. „Es gibt keine Denkverbote“, sagte die Kanzlerin. Natürlich müsse sich so ein Plan „mit anderen Reformen vertragen“. Und man solle vorher den Finanzminister fragen, ob er die benötigten – bis zu vier – Milliarden Euro erübrigen könne. Davon abgesehen kann Müntefering planen und prüfen. Ende Februar will er das Ergebnis mitteilen.
Die Kombilohnidee stammt aus einem Gutachten des Würzburger Wirtschaftsprofessors und Regierungsberaters Peter Bofinger. Der schlägt vor, dass der Staat Leuten mit niedrigen Einkommen die Sozialabgaben bezahlen solle. Das könnte gering entlohnte Beschäftigungen deutlich attraktiver machen und einen Anreiz ausüben, damit Hartz-IV-Empfänger diese auch annehmen. Natürlich spielt auch eine ganz schlichte Überlegung eine Rolle: Wenn der Staat schlecht bezahlte Jobs nicht direkt via Hartz IV aufbessert, sondern über den Umweg der Sozialversicherung, tauchen die entsprechenden Arbeitnehmer nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik auf.
Zur Illustrierung der beim Regierungswechsel verkündeten „Strategie der kleinen Schritte“ passte, dass die Kanzlerin zahlreiche Gesetze ankündigte, die das Kabinett dieses Jahr vorbereiten soll. Die Liste reichte von der Reform der Steuern für Unternehmen und Erbschaften über die Gesundheitsreform, auf die man sich in den nächsten Tagen einigen wolle, bis zu einem Vorhaben zur Erleichterung von „Public-Private-Partnerships“ – Kooperationen von Staat und privaten Unternehmen. Nicht zu vergessen: Maßnahmen gegen den Mangel an Ingenieuren.
Die Regierung ist auf Kurs, lautete die Botschaft. Angesichts des Ausbleibens der befürchteten Mehrwertsteuer-Depression, vieler schöner Repräsentationstermine im Umkreis der deutschen EU-Ratspräsidentschaft und steigender Umfragewerte demonstrierte Merkel Entspannung. In der Sonntagsfrage des Instituts Forsa und der Zeitschrift Stern liegt die Union derzeit bei immerhin 35 Prozent, die SPD nur bei 26 Prozent. Das schien Müntefering aber keine sonderlichen Sorgen zu bereiten. Zufrieden resümierte auch er das Jahr 2006. Zu Silvester habe er mit Genuss nachgelesen, was alles Falsches über den bevorstehenden Zusammenbruch der wirtschaftlichen Erholung infolge der höheren Mehrwertsteuer geschrieben worden sei.
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