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Archiv-Artikel

Wunsch nach einer „Rama-Familie“

Eine Bewährungshelferin schildert Kevins Eltern als unauffällig – auch in ihrem Bemühen um einen guten Eindruck

„Eine Familie wie aus der Rama-Werbung“ habe Bernd K., der Ziehvater des verstorbenen Kindes Kevin darstellen wollen, sagte gestern im Untersuchungsausschuss „Kindeswohl“ die damalige Bewährungshelferin der etwa ein halbes Jahr vor Kevin gestorbenen Mutter des Kindes.

Bei einem Besuch im April 2005 sei ihr aufgefallen, dass die Familie sich sehr angestrengt habe, einen „normalen Eindruck“ zu machen. Ein solches Verhalten erlebe sie in ihrer Arbeit sehr oft, so die Bewährungshelferin. Vor allem die Männer würden versuchen, einen guten Eindruck zu hinterlassen. „Wenn die Frauen alleine sind, sind sie auch bereit, über Probleme zu sprechen.“ An Kevin sei ihr nichts Ungewöhnliches aufgefallen, er habe nicht schüchtern oder gar verängstigt gewirkt, erinnerte sich die Frau, deren Aufgabe es ist, die Einhaltung von Bewährungsauflagen zu kontrollieren. Obwohl es keinen konkreten Anlass gab, wandte sich die Bewährungshelferin dennoch an das Jugendamt. Das würden sie und ihre Kolleginnen bei suchtkranken Frauen routinemäßig machen – um sicher zu gehen. Eine offizielle Vereinbarung gebe es jedoch nicht. Der Mitarbeiter im Jugendamt habe ihr im Fall Kevin gesagt, dass man alles im Griff habe.

Als unauffällig beschrieb auch ein Arzt die Familie, der sie zweimal zur Entgiftung in einer Klinik in Heiligenhafen hatte. Er machte sehr deutlich, dass er substituierten Drogenabhängigen nicht generell die Fähigkeit absprechen würde, ihre Kinder aufzuziehen. Er stimmte allerdings der Überzeugung einer zuvor gehörten Sozialarbeiterin zu, dass eine Substituierung alleine nicht ausreiche. „Nur mit Chemie geht das nicht.“

Mit Verweis auf seine Schweigepflicht verweigerte gestern Thomas Becker, Anwalt von Bernd K., die Aussage. Er soll eine maßgebliche Rolle dabei gespielt haben, dass Kevin nicht ins Heim oder zu einer Pflegefamilie kam. Bernd K. befindet sich in Untersuchungshaft. Am 10. Oktober wurde Kevins Leiche in seinem Kühlschrank gefunden. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er an Misshandlungen durch Bernd K. starb. E. Bruhn