Im Einhitwunderland

Gänzlich uneitel und gar nicht schlecht spielten sich Peter, Bjorn und John durch ihr Set: Die „Young Folks“-Schweden eröffneten die Indiepop-Saison 07 im ausverkauften Lido

Eigentlich waren sie alle nur wegen dieses einen gekommen. Die Menschentrauben, die sich vor dem Einlass gebildet hatten, die sich mit Wind und Regen und dem eher unfreundlichen Türpersonal in diesem zu milden Winter herumschlugen, sie waren nur wegen dieses einen Stücks gekommen, wegen „Young Folks“ – dieses Sommerhits 2006, an dem sie sich alle noch einmal erwärmen wollten, dieses Mitpfeifliedchens, das immer noch überall in den Klubs und im Radio dudelt, ohne dass man es wirklich leid wird. Und natürlich wollten alle sehen, wie die Interpreten das Pfeifen live hinkriegen würden.

Um es vorweg zu nehmen: Die Ilse Werners des Indiepops, die Peter, Paul And Mary des 21. Jahrhunderts, haben es ganz ordentlich gemacht. Haben „Young Folks“ schön unauffällig mitten im Set platziert und es ohne großes Getue tanzbar und mitreißend durchexerziert. Nur das mit dem Pfeifen, das fiel schon auf, dass das hauptsächlich vom Band kam. Machte aber nichts, denn dafür war es perfekt.

Auch sonst wussten die drei Wahlstockholmer zu überzeugen. Johns Schlagzeug war angenehm stumpf, Bjorn (ohne Pünktchen!) spielte einen New-Wave-Bass und trat gerne mal so auf den Verzerrer, dass es für die rechte Dosis The Jesus And Mary Chain sorgte, und Peter spielte eine solide Sixties-Gitarre. Heraus kam eine gar nicht so schlechte Mischung aus Sechzigerpop, der mit seinem harmonischen Gesang an die Hollies, die Monkees oder ähnlich gute Bands der zweiten Reihe erinnerte, und Achtzigerwave, der sich über seine Krautrock-Wurzeln im Klaren ist. Der aktuelle Vergleich wären die Raveonettes aus Dänemark, die sich an einer ähnlichen Melange üben.

Für ein Einhitwunder aus dem Retortenpopmutterland – in Schweden wird die Popmusik staatlich gefördert – war das gar nicht mal schlecht. Und auch das Richtige fürs Publikum, das noch nicht von den Feiertagen erholt schien und hauptsächlich aus jungen Paaren bestand. Aber wie heißt es in dem Mitpfeifhit? „We don’t care about the young folks / talkin’ bout the young style.“ So waren die drei auf der Bühne auch die entspanntesten im Saal: Angenehm uneitel und ironisch zurückgenommen spielten sie sich durch ihr Set und behandelten ihre Stücke wie zufällig mitgebrachtes Songmaterial. Auch das hatte was von Sechzigerjahre-Tanzkapelle. Man gab sich freundlich und hatte Spaß, von authentischen Gesten und Inbrunst hatte man noch nie gehört. Das war selbst bei den Gitarrensoli so, zu denen sich Peter gelegentlich hinreißen ließ. Aber dieses Stückchen bösen Rocks war wie der Winter draußen nur ein Zitat, immer nur angedeutet.

Was kaum jemand weiß: Das Trio ist schon seit 15 Jahren unterwegs, und ihre letzte Platte „Writer’s Block“ ist bereits ihre dritte. Und natürlich hängen sie auch in diesem Schweden-Pop-Umfeld mit drin, haben mit den Hives, mit Moneybrother oder der Noise Conspiracy (Was ist mit denen eigentlich? Obwohl, eigentlich wollen wir das gar nicht wissen.) Musik gemacht. Musik für junge Leute, von entspannten Anfangdreißigern vorgetragen. Am Ende spielten sie ein altes T.V.-Personalities-Stück („Silly Girl“). Spätestens hier hatten sie alles richtig gemacht.RENÉ HAMANN