: Wenn Behörden trödeln, zahlt der Staat
Bundesgerichtshof billigt Schadensersatz für überlange Wartezeiten zu: 20 Monate für Grundbucheintrag sind zu lang
FREIBURG taz ■ Wenn Behörden überlastet sind, muss der Staat unter Umständen für die Verzögerung Schadensersatz bezahlen. Dies entschied gestern der Bundesgerichtshof (BGH), das höchste deutsche Zivilgericht.
Im konkreten Fall wollte ein Bauunternehmen Ferienhäuser auf der Ostseeinsel Fehmarn verkaufen. Der Kaufpreis war zu zahlen, sobald eine Vormerkung ins Grundbuch eingetragen ist. Doch der zuständige Grundbuchbeamte in Oldenburg war völlig überlastet, die Eintragung ließ ein Jahr und acht Monate auf sich warten. In der Zwischenzeit war die Baufirma pleite gegangen. An ihrer Stelle verlangte nun eine Sparkasse Schadensersatz vom Staat in Höhe von 450.000 Euro für zusätzliche Zinsaufwendungen.
Der BGH hält in solchen Fällen eine Amtspflichtverletzung der Behörden grundsätzlich für möglich. Diese müssten ihre Arbeit so organisieren, dass es nicht zu derartigen Verzögerungen kommt. Auch vorgesetzte Behörden bis hin zum zuständigen Ministerium müssten sich Gedanken machen und notfalls Personal umschichten. „Dass auch übergeordnete Behörden in den Blick genommen werden, ist das Neue an dieser Entscheidung“, sagt Klägeranwalt Peter Baukelmann.
Der BGH blieb aber dabei, dass Behörden und Ministerien mit den Mitteln auskommen müssen, die ihnen der Gesetzgeber jeweils zugewiesen hat. Es gebe keinen Anspruch einzelner Bürger auf mehr Geld für bestimmte staatliche Aufgaben. Ob die Behörden in Schleswig-Holstein alles ihnen Mögliche getan haben, um die Tätigkeit des Grundbuchbeamten in Oldenburg zu beschleunigen, muss jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig prüfen. Nur wenn dies nicht der Fall ist, bekommt die Klägerin Schadensersatz wegen einer Amtspflichtverletzung.
Doch selbst wenn den Behörden im Norden kein Verschulden nachzuweisen ist, kann die Sparkasse aus einem anderen Grund mit Geld rechnen. Weil eine Wartezeit von 20 Monaten für eine simple Grundbucheintragung eindeutig rechtswidrig ist, liege ein „enteignungsgleicher Eingriff“ vor. Der BGH sprach der Klägerin deshalb zumindest eine gewisse Entschädigung zu, die aber – anders als bei der Amtshaftung – nicht den vollen Schaden ersetzt. Mit wie viel Geld die Sparkasse zumindest rechnen kann, muss wiederum das OLG entscheiden. CHRISTIAN RATH