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Archiv-Artikel

Der Kampf gegen die Kultur

OPPOSITION Schon Revolutionsführer Ajatollah Chomeini sagte: „Brecht ihre Federn!“ Nach den Unruhen 2009 hat das iranische Regime erneut zugeschlagen: Kritische Filme wurden verboten, Galerien geschlossen und Wissenschaftler in den Ruhestand geschickt

VON BAHMAN NIRUMAND

„Das Urteil gegen mich ist ein Urteil gegen Kunst und Literatur im Iran“, sagte der preisgekrönte Filmemacher Jafar Panahi, der im Dezember mit seinem Kollegen Mohammad Rasoulof zu jeweils sechs Jahren Gefängnis und zwanzig Jahren Berufsverbot verurteilt wurde. Kritische Künstler, Schriftsteller und Journalisten waren den Gottesmännern schon immer ein Dorn im Auge. Kaum war die revolutionäre Euphorie abgeflaut, rief der damalige Revolutionsführer Ajatollah Chomeini: „Brecht ihre Federn!“

Es waren nicht wenige Kulturschaffende, die dem wohl vergeblichen Ziel der schiitischen Geistlichkeit, das Land vollständig zu islamisieren, zum Opfer fielen. Hinrichtungen, gezielte Mordanschläge und eine rigorose Zensur sollten Andersdenkende zum Schweigen bringen. Doch die Entwicklung, die seit einigen Monaten begonnen hat, zeigt eine neue Qualität und eine Systematisierung der Repression gegen Kunst und Literatur, gegen das kritische Denken.

Die Unruhen nach der manipulierten Präsidentschaftswahl im Juni 2009 haben die Staatsführung mächtig aufgeschreckt. Die Staatsgewalt, die dagegen aufgeboten wurde, richtete sich zunächst gegen politische Aktivisten. Mehr als tausend Personen wurden festgenommen. Die Gefangenen wurden durch Folter zu Geständnissen gezwungen und in Schauprozessen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Damit gelang es dem Regime, den Straßenprotesten ein Ende zu setzen. Doch bald stellte man fest, dass der eigentlich gefährliche Feind nicht unter den Demonstranten und politischen Aktivisten zu finden war, sondern in den Gedanken und Lebensvorstellungen, die Künstler, Schriftsteller, Intellektuelle verbreiten. Die „samtene Revolution“ werde nicht auf den Straßen vorbereitet, sondern in den Verlagen, Ateliers, den Film- und Musikstudios und Zeitungsredaktionen, stellten regierungstreue Medien fest. Vom westlichen Ausland dirigiert, seien kritische Kulturschaffende am Werk, um westliches dekadentes Gedankengut von Säkularismus und Demokratie zu verbreiten und so Schritt für Schritt den islamischen Staat zu unterhöhlen. Man habe sich zu sehr auf politische Probleme konzentriert und es versäumt, sich der Kultur zu widmen. Es müsse rasch gehandelt werden, ehe es zu spät sei.

Revolutionsführer Ali Chamenei forderte eine gründliche Säuberung und Islamisierung der Universitäten. Alles Westliche müsse aus den Lehrplänen verbannt werden. Insbesondere die Lehrpläne sowie das Lehrpersonal der Geisteswissenschaften müssten einer gründlichen Überprüfung unterzogen werden. Tatsächlich wurden zahlreiche Professoren in den Ruhestand geschickt und hunderte Studenten exmatrikuliert. Es ist geplant, die Universitäten und Schulen gänzlich unter die Kontrolle der theologischen Hochschulen zu stellen.

Die Zensurbehörde, die dem Ministerium für Kultur und Islamische Führung untersteht, verschärfte die Kontrollen. Hunderte Manuskripte liegen seit Monaten in der Behörde, was zum Ruin zahlreicher Verlage und Buchhandlungen geführt hat. Es gibt kaum noch kritische Autoren, die durch Schreiben ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Kritische Filme wurden verboten, Galerien geschlossen.

Neu sind auch die Verbote von Auslandsreisen für Kulturschaffende und Wissenschaftler. Sie sollen so weit wie möglich isoliert werden. Demselben Zweck dienen auch die langjährigen Berufsverbote. Zwanzig Jahre Berufsverbot, die inzwischen gegen mehrere Autoren, Filmemacher und Journalisten ausgesprochen wurden, bedeuten die Aufgabe des Berufs.

Ende Januar nahm eine neu gegründete Internetpolizei ihre Arbeit auf. Ihre Aufgabe ist laut Polizeichef Ismail Ahmadi, die Kontrolle sozialer Netzwerke wie Facebook oder Twitter sicherzustellen, über die „Unruhen und Spionage“ gefördert würden.

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