: Staatliche Gründer-Nachhilfe für Hamburgs Kreative
FREIBERUFLER Die „Hamburg Kreativ Gesellschaft“ hilft Designern oder Architekten in die Selbstständigkeit. Schwerpunkt sind Bildungsveranstaltungen zu Marketing und Kundenakquise
In Hamburg erwirtschaften Kreative einen nahezu doppelt so hohen Umsatz wie in Berlin. Gerade Design, Werbung und Medien sind an der Elbe stark vertreten. Mit einem Umsatz von 10,6 Milliarden Euro stammt jeder 36. Euro der Hamburger Wirtschaftsleistung aus der Arbeit von MusikerInnen, GrafikerInnen, JournalistInnen oder ArchitektInnen. Das sagt jedenfalls der letzte Branchenbericht. Um die Hamburger Kreativwirtschaft zu fördern, wurde im Frühjahr 2010 die „Hamburg Kreativ Gesellschaft“ gegründet.
Anders als etablierte Initiativen wie die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein richtet sich das Angebot der „Kreativ Gesellschaft“ an alle Teilbereiche der Kreativwirtschaft. „Wir kümmern uns auch um die vielen Freelancer und kleinste Startups. Für sie gibt es oft nur wenige Förderangebote und Unterstützung“, erklärt Geschäftsführer Egbert Rühl das Konzept. Zum Beispiel hilft die Gesellschaft bei der Suche nach günstigen Büroflächen. Ein zweites, sehr wichtiges Thema ist die Geldfrage. Unterstützung bekommen die Kreativen hier bei der Suche nach Fördermöglichkeiten. Eins der Vorzeigeprojekte in diesem Bereich ist „Nordstarter“: Auf dieser regionalen Crowdfunding-Plattform können Kreative aus Norddeutschland ihre Projekte durch eine Vielzahl von Menschen online finanzieren. 104 Projekte kamen so bereits an das nötige Geld. 18 weitere werben gerade um Unterstützung. Die Bandbreite ist groß: Die Kleider-Bibliothek „Kleiderei“ sucht nach finanzieller Unterstützung für eine Online-Variante. Der Club „Hasenschaukel“ will mit dem Geld das Weiterbestehen sichern. Mit „The Big Swutsch“ soll eine Hamburg-Komödie im Serienformat entstehen.
Ein mindestens genauso wichtiger Bereich ist das Gründungs-Know-how. „Bei uns geht es vor allem um die ökonomische Qualifizierung der Gründer – den Sprung vom Talent zum wirtschaftlichen Erfolg“, sagt Rühl. Gerade in der akademischen Ausbildung komme dieser Bereich oft viel zu kurz. MusikerInnen oder bildende KünstlerInnen verlassen ihre Hochschulen zwar gut ausgebildet, aber ohne nötiges Know-how für die Selbstständigkeit. Die „Kreativ Gesellschaft“ veranstaltet deshalb die kostenlose Ringvorlesung „Butter bei die Fische“ in Kooperation mit fünf Hamburger Hochschulen.
Diese richtet sich an Studierende und AbsolventInnen kreativer Studiengänge und gibt einen ersten Einblick in die Aspekte der Selbstständigkeit. SteuerberaterInnen erklären zum Beispiel, „wann, wie und bei wem man Steuern zahlen muss“. Etablierte KünstlerInnen geben Tipps zur Kundenakquise. Für AbsolventInnen und Studierende in der Orientierungsphase bietet die „Kreativ Gesellschaft“ auch offene Sprechstunden und regelmäßige „Stippvisiten“ bei etablierten Unternehmen. Im Juli öffnen beispielsweise die PR-Agentur „Faktor 3“ und der Carlsen-Verlag ihre Tore.
Etwas stärker ins Detail gehen die kostenpflichtigen Workshops. Hier geht es sehr konkret um das Schreiben von Businessplänen, Marketing für die eigenen Produkte oder die Akquise von Kunden. Auch die eigene Preisgestaltung ist ein großes und oft sehr unbekanntes Thema, gerade am Anfang der Selbstständigkeit. „Die Motivationen im Kreativsektor sind eher intrinsisch. Fragen nach dem Markt und Preis für die eigenen Ideen werden erst später gestellt“, sagt Rühl. Reichtum sei eher ein untergeordnetes Ziel. Als Erfolg wird vor allem die Bestätigung der künstlerischen Kreativität gesehen.
All diese Angebote sind übrigens nicht nur auf Gründungsneulinge ausgelegt. „Gerade die Digitalisierung hat die Kreativwirtschaft stark verändert. Auch erfahrende Freelancer müssen sich neu ausrichten. Dabei sollen unsere Angebote helfen“, sagt Rühl. Ein passendes Angebot dazu ist das Coaching. Bis zu vier Tage können Solo-Selbstständige, KleinunternehmerInnen und Kleinunternehmen, die mindestens seit zwei Jahren am Markt sind, mit Coaches arbeiten. 90 Prozent der Kosten übernimmt die „Kreativ Gesellschaft“. Besonders beliebt sind auch die Angebote zur Vernetzung untereinander, und zwar offline, ganz außerhalb aller digitalen Co-Working-Strukturen.
Einmal im Monat gibt es mit „Kreuz und Quer“ ein Vernetzungstreffen. Das dient nicht nur als Auftragsbörse, sondern hilft auch bei der Suche nach Projektpartnern oder einem ehrlichen Feedback zur eigenen Arbeit – ein wichtiger Aspekt nicht nur für Nachwuchs-Kreative.
BIRK GRÜLING