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Archiv-Artikel

AUFM PLATZ Wie viel Taktik braucht man, wenn man Robben hat?

NIEDERLANDE – COSTA RICA Nicht Spielsysteme entscheiden das Viertelfinale heute Abend, sondern individuelle Klasse

Ausschlaggebend für den Achtelfinalsieg war nicht das Genie von Louis van Gaal

Der FC Augsburg steht im WM-Viertelfinale – zumindest in Form des Rechtsverteidigers Paul Verhaegh. Ob der Niederländer auch im Samstagsspiel gegen Costa Rica von Beginn an auflaufen wird, ist jedoch fraglich, ließ seine Leistung im Achtelfinale gegen Mexiko doch sehr zu wünschen übrig. Immer wieder hat ihn Miguel Layun überlaufen. Die Auswechslung Verhaeghs sowie die taktische Umstellung auf ein 4-3-3 brachten die Wende. So schien es zumindest.

Die erfolgreiche Schlussoffensive wurde später als taktische Meisterleistung van Gaals verkauft. „Er ist vielleicht der beste Taktiker der Welt“, sagte Dirk Kuyt. Sicherlich: Der Systemwechsel war richtig. Entscheidend für das Achtelfinale war jedoch nicht das Genie des selbst ernannten Feierbiests, sondern wieder einmal Arjen Robben. Dreimal ließ er sich im gegnerischen Sechzehner fallen, beim letzten Mal erhielt er seinen hart erarbeiteten Strafstoß. Eine zumindest strittige Entscheidung. Hätte ein Boulevardblatt getitelt: „Oranje robbt sich ins Ziel“, die Schlagzeile hätte ihre Berechtigung gehabt.

Von dem begeisternden Spiel, mit dem die Elf Spanien aus dem Stadion fegte, war gegen Mexiko nur noch wenig zu sehen. Mit den laufstarken Spielern hatte van Gaals Team große Probleme. Im Viertelfinale wartet mit Costa Rica nun eine von der Spielanlage ähnliche Mannschaft. Den „Ticos“ wiederum schien im Achtelfinale gegen Griechenland am Ende die Luft auszugehen. Mit Müh und Not überstanden sie die Verlängerung und bezwangen die Griechen letztlich im Elfmeterschießen. Ein Sieg, der Kraft kostete.

Kraft, die sie gegen die Niederlande brauchen werden. Nur wenn sie so eine konsequente Laufleistung wie Mexiko zeigen, können sie ihrem Gegner Paroli bieten. Dieser, so hat es sich im Verlaufe des Turniers gezeigt, beherrscht es gut, Fehler konsequent auszunutzen. Ein verlorener Ball im Mittelfeld, einmal zu viel Platz für Robben, schon brennt es im Strafraum.

Der Siegtorschütze des Viertelfinales, Klaas Jan Huntelaar, wird am Samstag übrigens wieder auf der Bank sitzen. Im laufintensiven System hat der Strafraumstürmer wenig Platz. Dass van Gaal ihn gegen Mexiko brachte, wurde ebenfalls als Geniestreich gefeiert. Dabei ist es nur logisch, dass man bei einem Rückstand einen Weltklasseknipser wie den Schalker einwechselt. So unromantisch es klingt: Heute Abend werden es wieder die großen niederländischen Individualisten sein, die das Spiel entscheiden – und nicht die van Gaal’schen Eingebungen. MARCO WEDIG