: So wirst du Weltmeister
VIERTELFINALE Deutschland schlägt Frankreich verdient 1:0. Der Équipe Tricolore gelang nur wenig. Die eisig kontrollierende Mannschaft Joachim Löws hatte fast alles im Griff
MATS HUMMELS, „MAN OF THE MATCH“
AUS RIO DE JANEIRO JOHANNES KOPP
Die deutschen Spieler lagen sich nach dem Abpfiff in den Armen. Joachim Löw hatte – ihnen und gewiss auch dem deutschen Publikum – nicht zu viel versprochen. Deutschland steht wieder im Halbfinale. So wie übrigens bei den letzten drei Weltmeisterschaften auch. Mit einem knappen 1:0 bezwang man die Franzosen im Maracana-Stadion von Rio de Janeiro – und zwar völlig verdient. Wenngleich sehr kurz vor Schluss Benzema noch einmal für eine Schrecksekunde bei den Deutschen sorgte. Sein Schuss führte jedoch, nachdem Tormann Manuel Neuer ihn mit einer Reflexbewegung abwehrte, nicht zum Ausgleich. Der Ex-Schalker sagte zu seiner einhändigen Abwehrbewegung nur kühl: „Das sind Automatismen.“
Wie das so bei Schwergewichtsboxern vor ihren Kämpfen üblich ist, hatte der Bundestrainer vor dem Prestigeduell gegen Frankreich eine ziemlich dicke Lippe riskiert: „Wir sind unter den letzten Acht und werden unter die letzten Vier kommen – und dann sehen wir weiter.“
Und auch wenn Löw hinsichtlich der ewigen Lahm-Debatte angedeutet hatte, seine Entscheidungen seien nicht „zementiert“, überraschte es doch ein wenig, dass er den Bayern-Spieler dieses Mal von Anfang an auf die rechte Seite beorderte. Dafür durften Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira die Mittelfeldzentrale besetzen. Noch überraschender allerdings war Kloses WM-Debüt in der Stammelf.
Das deutsche Team, das merkte man von Anfang an, war sehr auf Kontrolle bedacht. Eine Strategie, die sich nach dem frühen Führungstor von Mats Hummels in der 12. Minute umso besser weiterverfolgen ließ. Ein Pfiff des Schiedsrichters war die Grundlage für die komfortable deutsche Ausgangssituation. Standards waren in der Ära Löw ja eigentlich lange ein Reizthema, weil die Bälle nach Ecken und Freistößen serienweise stets wirkungslos in den gegnerischen Strafraum geschlagen wurden. Bei dieser WM wurde jedoch in der Vorrunde bereits die Trendwende eingeleitet und gegen Frankreich nun fortgesetzt.
Nach einem Freistoß von Toni Kroos setzt sich Mats Hummels schön im Kopfballduell gegen Raphael Varane durch. Völlig zu beherrschen waren die kombinationssicheren Franzosen aber nicht. Karim Benzema stahl sich zweimal seinen Bewachern davon, seine Abschlüsse waren indes nicht platziert genug. Lediglich beim Schuss von Mathieu Valbuena musste Manuel Neuer in der ersten Hälfte eingreifen.
Im Gesamten wirkte die deutsche Verteidigung wesentlich geordneter als zuletzt gegen Algerien. Im Offensivspiel machte sich jedoch die von Löw schon öfter beklagte Präzision im letzten Drittel wieder einmal unbehaglich bemerkbar. Miroslav Klose konnte die ihm zugedachte Rolle als klassischer Vollstrecker so nur schlecht erfüllen. Er mühte sich vergeblich um Anbindung ans Spiel und wurde in der 69. Minute gegen den energischen Andre Schürrle ausgetauscht.
Im zweiten Spielabschnitt fiel es den Deutschen zunächst schwerer, die Franzosen fern vom eigenen Tor zu halten. Das Team von Didier Dechamps sorgte für Druck, es fehlten nur die Ideen. Und diese Harmlosigkeit ermutigte die DFB-Kicker, sich wieder des Öfteren aus der Umklammerung zu befreien. Schürrle hatte dann in der Schlussphase die größte Möglichkeit, für die endgültige Entscheidung zu sorgen. Nach einer Flanke von Özil, die Thomas Müller unglücklich verpasste, schoss er den Torwart an. Wenig später gelang ihm das Kunststück ein zweites Mal. Dieses Mal traf er allerdings einen Verteidiger.
Frankreich erwies sich wie erhofft als der dankbarere Gegner. Algerien und Ghana hätten als Außenseiter ja nichts zu verlieren gehabt und wären psychologisch im Vorteil gewesen, hatte Löw zuvor bemerkt. Das hätte es nicht einfach gemacht.
Der Erfolg war, nun ja, keiner der leichten Art. Aber man hatte sich die Aufgabe gegen die bis dahin im Turnier so überzeugenden Franzosen wesentlich komplizierter vorgestellt.
Mats Hummels, zum „Man of the Match“ bestimmt: „Egal wer auf dem Platz ist, wir haben alle Qualitäten. Entscheidend ist, was die ganze Mannschaft macht.“ Und der Dortmunder, der das Kopfballtor erzielte und offenbar von der Erkältung gut genesen war: „Ich hoffe natürlich, dass unser Weg noch nicht zu Ende ist.“ Frankreichs Trainer Didier Dechamps wusste die Partie am klarsten zu analysieren: „Sie hatten die Kontrolle.“ Er sprach fairerweise nicht von seiner Équipe. Und Joachim Löw? Er sagte: „Unsere Mannschaft hat bravourös gekämpft.“
■ Deutschland: Neuer, Höwedes, Hummels, Lahm, Boateng, Khedira, Kroos (90.+2 Kramer), Schweinsteiger, Klose (69. Schürrle), Müller, Özil (82. Götze). Frankreich: Lloris, Debuchy, Sakho (72. Koscielny), Varane, Evra, Matuidi, Pogba, Cabaye (73. Remy) , Griezmann, Benzema, Valbuena (85. Giroud).
Schiedsrichter: Néstor Pitana aus Corpus, Misiones, Argentinien
Tore: 1:0 Hummels (12.)
Karten: Khedira (55., Gelb), Schweinsteiger (80., Gelb)
ZuschauerInnen: 74.738 im Maracana-Stadion in Rio de Janeiro