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Archiv-Artikel

Gysi bleibt auf Robinson Crusoe sitzen

Der bekannte Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel wollte nicht Spitzenkandidat der Bremer Linkspartei werden. PDS und WASG treten dort jetzt mit einem Mann an, der die einen an Karl Marx, die anderen jedoch eher an einen Gestrandeten erinnert

AUS BERLIN JENS KÖNIG

Rudolf Hickel ist einer der politischen Köpfe im Westen, den die Linkspartei gern in ihren Reihen hätte. Der 64-jährige Wirtschaftsprofessor ist klug, eloquent, politisch engagiert, medienerfahren, links – und geht trotzdem noch als unabhängig durch. Die Genossen von der PDS hatten schon in den 90er-Jahren immer mal wieder ein Auge auf Hickel geworfen. Im Sommer vorigen Jahres baten ihn dann Oskar Lafontaine und Gregor Gysi ganz offiziell, als Spitzenkandidat für die Linkspartei bei der Bremer Bürgerschaftswahl anzutreten. Hickel, in Bremen zu Hause, lehnte jedoch ab.

„Ja, ein solches Angebot gab es“, bestätigte Hickel gestern gegenüber der taz. Er pflege schon seit Jahren enge Kontakte zu Lafontaine, sei sogar mit ihm befreundet, teile nicht wenige seiner Ansichten – und habe die Offerte nach einigen Wochen Bedenkzeit dennoch abgelehnt. „Oskar“, habe er zur Begründung gesagt, „meine Unabhängigkeit als Wissenschaftler ist mir einfach zu wichtig.“

Hickel hat an der Universität Bremen seit über 30 Jahren einen Lehrstuhl für Finanzwissenschaft inne. Der Ökonom ist außerdem Mitglied der „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik“ sowie renommierter Buchautor. All das wollte er durch einen Wechsel in die Politik nicht aufgeben – obwohl ihn die Aufgabe durchaus gereizt habe, wie er zugibt. „Ich hätte mir auch einiges zugetraut.“

Vielleicht wäre Hickel als Spitzenkandidat nie gewählt worden. In Bremen sind PDS und WASG heillos zerstritten. Die WASG hat den Ruf eines chaotischen Haufens, der von Trotzkisten unterwandert ist. Lafontaine und Gysi waren sich der Gefahr eines Scheiterns wohl ebenso bewusst wie ihr Wunschkandidat. Grund für die Absage soll das aber nicht gewesen sein. „Ich hatte prinzipielle Bedenken“, sagt Hickel.

Lafontaine und Gysi konnten sich lange nicht von der Idee eines zumindest halbprominenten Spitzenkandidaten für die Bremer Wahl am 13. Mai 2007 trennen. Zu symbolträchtig ist der Urnengang. In Bremen soll der Linkspartei erstmals der Einzug in ein westdeutsches Landesparlament gelingen; bei der Bundestagswahl 2005 hatte sie dort 8,4 Prozent der Stimmen errungen. Das Ziel für die Bürgerschaftswahl lautet 7 Prozent.

Nur zwei Tage vor der Kür des Bremer Spitzenkandidaten schickte die Berliner Fraktionsspitze den Bundestagsabgeordneten Axel Troost ins Rennen. Der unterlag prompt einem unbekannten Lokalmatadoren der WASG: Peter Erlanson, 47, stellvertretender Gesamtbetriebsrat des Bremer Klinikums. Für den gemeinsamen Wahlantritt von PDS und WASG steht jetzt ein bulliger Mann, den sie wegen seiner langen, grauen Haare und seines langen, grauen Bartes in der Lokalpresse als „Karl Marx von Bremen“ bezeichnen.

In Berlin hätten sie es gern etwas seriöser und professioneller. Die Wahlkampfprofis stöhnen über Erlanson. „Der Mann erinnert nicht an Karl Marx, sondern an Robinson Crusoe“, sagt einer aus der Fraktionsspitze. „Wenn wir mit dem 4 Prozent holen, wäre das schon ein Erfolg.“