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Archiv-Artikel

In der Republik Tahrir

über die Versorgung auf dem Tahrir-Platz

NORA MBAGATHI

Die „Republik Tahrir“. So nennen inzwischen viele scherzhaft den Platz. Und ich verstehe, warum. Es gibt Wasser und Strom, Schlafmöglichkeiten, Konzertbühnen, Essecken und medizinische Versorgungsstellen.

„Alles was wir hier noch brauchen, ist ein Bierzelt“, bemerkt Ashraf, als Nada und ich losziehen, um mir was zu essen zu besorgen. Im Weggehen höre ich seine Beschwerden darüber, dass wir nicht in Russland protestieren „Da gäb’s jetzt richtig guten Wodka.“

Ich habe gemault, dass ich so lange keine Kartoffeln mehr gegessen habe, und darum hat Nada versprochen, für mich an einem der Essensstände doch wenigstens eine Süßkartoffel aufzutreiben.

Die Runde um den Platz dauert lange. Nada übernachtet seit Dienstag hier und man trifft viele Freunde. Alte und neue. „Es ist lustig“, sagt sie. „Ich kenne jetzt all diese Leute, mit denen ich sonst nie in Kontakt gekommen wäre.“ Während sie erzählt, klingelt ihr Handy. Ihr Bruder ist dran. Er sei in den öffentlichen Toiletten, die bei den Protesten und Plünderungen vom 28. Januar völlig zerstört wurden. Nun haben Leute neue Toilettenschüsseln und Urinale gebracht, die sie gerade installieren.

Es ist faszinierend, wie schnell Leute, die sich durch ein gemeinsames Ziel verbunden fühlen, Wege finden, sich selbst und anderen das Leben zu erleichtern. Schon in den ersten Tagen haben einige die Stromkabel der Straßenlaternen umgelenkt, um einen Ort zu haben, wo Leute ihre Handys und Kameras aufladen können.

Die leeren Flächen zwischen den Zelten, die man auf Luftaufnahmen des Tahrir-Platzes sieht, sind zu matschig, um darauf zu schlafen. Der Matsch entsteht, weil das die Flächen sind, auf denen sich die Menschen auf dem Platz wenigstens notdürftig waschen können.

Als wir samt Süßkartoffel wieder bei unseren Zelten ankommen, hat Ashraf zwar keinen Wodka gefunden, doch dafür einen Mann, der Zigaretten verkauft.

Ich lächle. Sei froh Ashraf, dass diese Revolution nicht in Deutschland stattfindet. Ob es da wohl Raucherecken gäbe?