: Denkmäler weggekauft
Das Architektur Forum Rheinland wurde in Köln gegründet, um die Nachlässe von NRW-Architektur zu sammeln und zu dokumentieren. Doch es gibt auch potente Gegenspieler an Main und Isar
VON JÜRGEN SCHÖN
Jörg Beste, Geschäftsführer des „Architektur Forum Rheinland“ wettert gegen die Kirche. „Kardinal Meisner setzt Kirchenrecht über staatliches Recht“. Das wirft er dem Kölner Katholiken vor. Stein des Anstoßes ist der Umgang mit der 2006 an einen privaten Investor verkauften Kirche St. Ursula im südlich von Köln gelegenen Hürth-Kalscheuren. Obwohl das 1956 von Gottfried Böhm erbaute Gotteshaus als Gesamtkunstwerk unter Denkmalschutz stehe, habe Meisner wichtige Einrichtungsgegenstände wie Altar und Taufbecken entfernen lassen.
Kampf um Kirchen
Zwar sei inzwischen ein Kompromiss gefunden, so Beste. Danach sollen die entfernten Objekte durch Duplikate ersetzt werden. Doch dafür sei noch kein Geldgeber gefunden worden. „Wir werden genau beobachten, ob dieser Umgang mit dem Denkmalschutz ein Präzedenzfall für weitere Kirchen-Umwandlungen ist“, sagt Beste. Die landesweit angekündigten Kirchenschließungen werden in diesem Jahr ein Arbeitsschwerpunkt des Kölner Architekten-Vereins. Allein im Ruhrbistum Essen soll jedes dritte der rund 300 Gotteshäuser aufgegeben werden. Anderswo sieht die Situation nicht viel besser auch, sinkende Zahlen bei den Gläubigen und damit zurückgehende zurückgehende Kirchensteuern treffen Katholiken ebenso wie Protestanten. Auf zahlreichen Veranstaltungen soll dieses Thema diskutiert werden. Dabei geht es dem Architekturforum nicht allein um den jeweiligen Erhaltung der reinen Bausubstanz, sondern auch um Kirchen als topografische und soziale Orientierungspunkte. Den Offiziellen in den Kirchen sind öffentlichen Diskussionen darüber unangenehm. So erhielt der Bund Deutscher Architekten (BDI) im vergangenen November in Essen gleich Hausverbot, als er in St. Engelbert mit einer „Speisung mit Kunst und Kultur“ auf die soziale Bedeutung und den Verlust hinweisen wollte, den die Umwandlung des Gotteshauses für die Gemeinde darstellt.
Sicherung von Architektur
„Nordrhein-Westfalen hat für die internationale Baukultur eine zentrale Bedeutung. Doch die historischen Grundlagen dafür, insbesondere die Nachlässe prominenter Architekten, drohen verloren zu gehen“, sagt Forumsvorstand Walter von Lom. Eine Öffentlichkeitskampagne soll dem entgegenwirken und beispielsweise die „Rosinenpickerei“ des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt künftig verhindern. Dies habe sich unter anderem noch zu Lebzeiten „die schönsten Stücke“ aus dem Büro von Gottfried Böhm gesichert, dem einzigen deutschen Pritzker-Preisträger. Auch den Nachlass der 2004 verstorbenen Kölner Architektin Verena Dietrich sei schon am Main gelandet. Dazu komme mit dem Architekturmuseum der TU München ein weiterer starker Sammler.
Mit Peter Ungers (Messehochhaus Frankfurt), Joachim Schürmann (Deutsche Welle, Bonn), Peter Kulka (Sächsischer Landtag), die Kirchenbauer Dominikus Böhm und Rudolf Schwarz, Peter Behrens, Christian Schaller, Stefan Schmitz, aber auch dem NS-Architekten Wilhelm Kreis sind weitere Architekten, die weit über das Rheinland hinaus die Baukultur prägten, so Beste. Das Architektur-Forum will nicht nur Nachlässe für das Land Nordrhein-Westfalen sichern und so die Erinnerung etwa an die vorbildhaften Siedlungen der 20er Jahre oder die Kirchen nach 1945. Es will auch die Aufmerksamkeit auf die konservatorisch empfindlichen Konvolute aus Zeichnungen, Briefen und Modellen lenken, die schon in Archiven lagern, aus Geld- und Personalmangel aber nicht bearbeitet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können. Dies gelte etwa für das Historische Archiv der Stadt Köln, das neben dem Diözesanmuseum mit rund 60 Nachlässen – davon nur knapp die Hälfte bearbeitet – die meisten Zeugnisse rheinischer Architekten und rheinischer Baukultur besitze.
Beste appelliert an CDU-Bauminister Oliver Wittke, dem Aufruf zur „Stärkung der Architektur als Exportgut“ auch Geld folgen zu lassen. Nicht nur die Studenten an den renommierten Ausbildungsstätten in Aachen, Düsseldorf und Köln bräuchten eine zentrale Stelle, an der sie sich über vorbildliche Architekturleistungen der Vergangenheit informieren können. Beste kann sich in „bester dualer Tradition“ auch zwei solcher Stätten vorstellen, die eine vom Landschaftsverband Rheinland (LVR), die andere vom Verband Westfalen-Lippe (LWL) unterstützt – die eine in Köln, die andere vielleicht an der Uni Dortmund.
weitere Infos:www.architektur-forum-rheinland.de
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