: Muss NRW Stellen streichen?
Bis 2010 will die schwarz-gelbe Koalition den Personalabbau in der NRW-Landesverwaltung vorantreiben – 12.000 Stellen fallen weg. Muss das hoch verschuldete Land seine Bürokratie verschlanken und sanieren? Sind die Kürzungen nötig, damit NRW aus den roten Zahlen kommt?
JA
Das Land Nordrhein-Westfalen lebt schon seit mehr als 30 Jahren über seine Verhältnisse. So betrug in NRW der Finanzierungssaldo im Durchschnitt der Jahre seit 1975 nahezu zehn Prozent der bereinigten Ausgaben und selbst in den konjunkturell guten Lagen, wie etwa zur Zeit des „Wiedervereinigungs-Booms“ Anfang der 90er Jahre, lag dieser bei fast fünf Prozent der Ausgaben. Der „Preis“ für diese Politik ist erheblich. Waren 1975 rund zwei Prozent der Ausgaben für Zinsen aufzubringen, so betrug dieser Anteil 2005 über neun Prozent.
Zwischenzeitlich gibt NRW mehr für Zinsen als für seine Hochschulen aus. Gerade dies zeigt, dass ohne eine radikale Kehrtwende in der Verschuldungspolitik der Länder alles Gerede von „mehr tun für Bildung“ völlig unfundiert ist, da man bekanntlich den Euro nur einmal ausgeben kann. Die Zinsausgaben von morgen, die wir zukünftigen Generationen aufbürden, beschränken daher die Ressourcen, die man in Zukunft in den Bildungsbereich, oder in andere investive Bereiche, lenken kann.
Wenn ein Land wie NRW seit Politikergenerationen über seine Verhältnisse lebt und es auch in guten Konjunkturzeiten nicht geschafft hat, die Ausgaben den verfügbaren Mitteln anzupassen, so muss man die Schlussfolgerung ziehen, dass das Land – was leider für die Mehrzahl der Bundesländer und den Bund gilt – in erheblichem Umfang strukturelle Ausgabenüberhänge hat.
Betrachtet man sich die Ausgabenstruktur des Landeshaushalts, wird schnell klar, wo gespart werden muss: Mindestens 42 Prozent wird für Personal ausgegeben, mehr als ein Fünftel davon für Pensionslasten, weitere 9,4 Prozent für Zinsen, 22 Prozent verschlingen die Zuweisungen an die Kommunen und bescheidene zehn Prozent gehen in den investiven Bereich. Die Kosten der öffentlichen Aufgabenerfüllung werden somit primär von den Personalausgaben bestimmt, so dass eine Beseitigung struktureller Ausgabenüberhänge letztendlich ohne erheblichen Personalabbau in der NRW-Verwaltung nicht möglich ist.
Natürlich führt dies sofort zu den Protesten seitens der Gewerkschaften und dazu, dass Weltuntergangsszenarien an die Wand gemalt werden. Bedauerlicher Weise kommt es aber nicht zu Pro-Protestkundgebungen der Gruppen, in deren Interesse die notwendige Strukturanpassung durchgeführt werden muss, nämlich die Bürger in ihrer Eigenschaft als Steuerzahler und als Lastesel für die hohe Verschuldung und mehr noch unserer Kinder, auf deren Rücken wir die Verschuldung abladen. Es ist nun einmal so, dass das Land nicht dafür zuständig ist, mehr als 400.000 Stellen für Landesbedienstete zu schaffen oder zu sichern, sondern 18 Millionen Menschen im Land optimal zu den geringst möglichen Kosten mit den notwendigen öffentlichen Leistungen zu versorgen.
HELMUT SEITZ
NEIN
Bei über 900.000 registrierten Arbeitslosen in NRW verschärft die Realisierung der Pläne der Landesregierung die Arbeitsmarktsituation in diesem Land unerträglich. Die Landesregierung wird zum größten Arbeitsplatzvernichter in NRW.
Wir lehnen die grundsätzliche Philosophie und Zielsetzung der Landesregierung, der Staat müsse sich auf angebliche Kernaufgaben konzentrieren und alles andere den Marktmechanismen überlassen, ab. Diese Politik führt zurück in den Manchester-Liberalismus, wo die Wirtschaft das Sagen hat, und zurück in den Nachtwächterstaat, wo sich der Staat aus seiner Verantwortung für soziale Gerechtigkeit und für die Erhaltung einer lebenswerten Umwelt zurückzieht.
Grundlage aller politischen Entscheidungen über die zukünftige Verwaltungsstruktur muss eine ergebnisoffen geführte Aufgabenkritik sein. Kriterien und Maßstab müssen die Interessen der Bürgerinnen und Bürger sein. Dazu zählen Bürgernähe, Qualität der Dienstleistung, Effizienz und Effektivität der Verwaltung.
Diesen Grundanforderungen widersprechen die bisherigen Entscheidungen der Landesregierung. Messlatte für die Landesregierung sind nicht die Bürgerinteressen, sondern allein die Senkung von Personalkosten im Landeshaushalt durch Stellen- und Lohnabbau.
Vernachlässigt werden bei dieser Art der Konsolidierung nahezu alle Instrumente zur Verbesserung der Einnahme–seite. Einseitig und phantasielos wird die Personalausgabenquote ins Visier genommen. Wer die Anforderungen der Zukunft wirklich meistern will, muss für ausreichende Einnahmen des Staates sorgen und diesen nicht kaputtsparen.
Wir fordern nachdrücklich, dass die Erbschaftssteuer erhöht wird und nicht aus fadenscheinigen Gründen des Arbeitsplatzerhaltes auch noch für Betriebserben gesenkt wird.
Wir fordern die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, wie es vom Bundesverfassungsgericht ermöglicht worden ist.
Wir fordern mehr Betriebsprüfungen und ein einheitliches Vorgehen der Steuerfahndung sowie ein radikales Bekämpfen der Wirtschaftskriminalität in NRW.
Wer diese Forderungen so ausdrücklich ignoriert wie es die Landesregierung tut, distanziert sich durch seine ideologische Haltung in Wahrheit von der Haushaltskonsolidierung und will nur einseitig und wiederholt die Beschäftigten haftbar machen für die durch eine falsche Finanzpolitik produzierten Haushaltslöcher.
Bezieher hoher Einkommen, Selbständige und Konzerne werden konsequent geschont. Wissenschaftler und Experten haben längst nachgewiesen, dass diese Politik einen Einnahmeverzicht von 300 Milliarden Euro für die staatlichen Haushalte bedeutet. Hier ist das schnelle und konsequente Handeln der Politik gefordert.
HAND-DIETER WARDA