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Archiv-Artikel

Maut? Nö, Infrastrukturabgabe

VERKEHRSPOLITIK Bundesverkehrsminister Dobrindt (CSU) stellt am heutigen Montag sein Konzept zur Maut auch offiziell vor. Die kommt überraschend als Vignette daher

CSU-Chef Seehofer fordert nun „Koalitionstreue“ von CDU und SPD ein

AUS BERLIN RENÉ HAMANN

Jetzt kommt er also doch noch rechtzeitig zur Sommerpause mit seinem Lieblingsprojekt um die Ecke: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat lange ein Geheimnis um seine Mautpläne gemacht, kurzfristig Pressekonferenzen abgesagt und seine KoalitionskollegInnen im Unklaren gelassen. Und jetzt hat er sein Konzept veröffentlicht – via Spiegel und Bild am Sonntag. Am heutigen Montag will er es dann auch den restlichen Medien persönlich vorstellen.

Dabei ist Dobrindt auch in der Sache trickreich: Zum einen soll es sich nicht direkt um eine „Ausländermaut“ handeln, denn auch der deutsche Autofahrer wird abkassiert – zum Ausgleich will Dobrindt allerdings die KfZ-Steuer bis 2016 so reformieren, dass Inländern keine Mehrbelastung entstehen soll. Zum anderen wird es sich nicht um eine „Maut“ handeln, sondern um eine „Infrastrukturabgabe“.

Cleverer Politsprech, könnte man meinen. Aber tatsächlich soll die Autobahngebühr Aufbesserung und Ausbau des Straßennetzes zumindest mitfinanzieren. Von 800 Millionen Euro Einnahmen im Jahr ist die Rede, von etwa 2,5 Milliarden Euro über vier Jahre, Unkosten für die Erhebung inklusive.

Dobrindt setzt dabei nicht wie bei der Lkw-Maut auf Elektronik, sondern auf die aus Österreich bekannte Vignette. Die soll es in kleinen und großen Einheiten geben. Und hier wird es kompliziert: Für zehn Tage soll die Vignette zehn Euro kosten, für zwei Monate dann zwanzig. Der Preis für eine Jahresvignette wird hingegen individuell berechnet – nach Ökoklasse, Zulassungsjahr und Hubraum, ähnlich wie die in Ballungszentren bereits eingeführte Umweltplakette. Kommen soll der neue Aufkleber per Post, bestellbar ist er im Internet, erhältlich aber auch an grenznahen Tankstellen. Gelten soll er für alle deutschen Straßen, womit eine Neubelastung der Landstraßen bereits vorab ausgeschlossen wäre.

Kritik an diesem Konzept gab es bereits im Vorfeld. Die Kanzlerin zeigte sich reserviert, der EU-Verkehrskommissar warnte, eine Verknüpfung von Maut und KfZ-Steuer verstoße gegen EU-Recht, Niederländer und Dänen drohen bereits mit Klagen.

Auch ADAC und Umweltverbände lassen sich nicht lumpen: Eine Vignette wäre ungerecht, gebe keinen Anreiz zum Weniger-Fahren und sei unsozial. Die nötigen Investitionen in die Infrastruktur würden durch künftige Einnahmen nur teilweise gedeckt; überhaupt wäre eine grundsätzliche Erhöhung des Verkehrsbudgets im Bundeshaushalt effizienter.

Dobrindt lässt sich allerdings nicht beirren. Schützenhilfe bekommt er von CSU-Chef Seehofer, der bereits „Koalitionstreue“ von CDU und SPD einfordert – schließlich habe die CSU auch bei deren Projekten wie dem Mindestlohn still gehalten. Unions-Fraktionschef Volker Kauder hingegen setzt auf Zeit. „Aus meiner Sicht reicht es aus, wenn wir im Herbst […] diskutieren“, ließ er verlauten. Ansonsten sieht er den Dobrindt’schen Vorstoß auch als Möglichkeit, mittel- bis langfristig über eine europaweite Maut nachzudenken. „Wir brauchen eine wasserdichte Lösung, die auch den Anforderungen der EU entspricht“, sagte er.

Klar scheint: Die Maut wird kommen, so oder so. Die Frage ist nur, wie und wann. Auch die Lkw-Maut hatte mit Anfangsschwierigkeiten zu kämpfen, gilt aber mittlerweile als Erfolgsmodell. Im Gegensatz zur Umweltplakette, die mit so vielen Ausnahmen konstruiert ist, dass sie bislang nicht zu einer spürbaren Entlastung in Sachen Feinstaub geführt hat. Es bleibt abzuwarten, wie Brüssel reagiert, sollte sich Dobrindt durchsetzen – und dann wird es auf die Feinjustierung ankommen.

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