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Archiv-Artikel

Die Polizisten verstehen

Attac hat in einer Gesamtschule in Hannover die Proteste gegen G8-Gipfel in Heiligendamm vorbereitet. Nun ist die Aufregung groß. Lokalpolitiker fürchten, dass Hannover in die Schlagzeilen gerät, falls es bei den Protesten im Juni zu Gewalt kommt

VON MAREN SCHULTZ

Die Integrierte Gesamtschule Linden in Hannover hat sich die Chancengleichheit auf die Fahnen geschrieben. Seit dem vergangenen Wochenende ist sie nun auch über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Denn in der Gesamtschule bekamen auch die Globalisierungskritiker von Attac eine Chance – zusammen mit dem Jugendumweltnetzwerk Niedersachsen „Janun“ durften sie in den Räumen der Schule ihre „Aktionswerkstatt“ gegen das G8-Gipfeltreffen in Heiligendamm abhalten.

Die Reaktion der Lokalpolitik ließ nicht lange auf sich warten. Wilfried Engelke, Fraktionsvorsitzender der FDP im Stadtrat von Hannover, vertraute der Neuen Presse seine Bedenken an: „Bei den Aktionen von Attac geht es meistens nicht friedlich ab, und wenn in Heiligendamm was passiert, steht in der Weltpresse: Das wurde in Hannover vorbereitet.“ Bei dem G8-Gipfel in Heiligendamm treffen sich vom 6. bis 8. Juni die Regierungschefs der sieben größten Industrienationen und Russlands. Attac will während des Gipfels mit mehreren Aktionen gegen das Treffen demonstrieren.

Auch die CDU Fraktion im Rathaus von Hannover steht der Vermietung der Schulräume an Attac und Janun kritisch gegenüber. „Man muss vorher prüfen, an wen man vermietet“, sagt der Fraktionsvorsitzende Rainer Lensing. In der Wirtschaft würden schließlich auch keine Räume an Rechtsradikale vermietet. „Wenn man friedlich und gewaltfrei demonstrieren will, ist das in Ordnung. Doch wenn junge Leute trainieren, wie sie sich der Polizei widersetzen, dann ist das nicht mehr friedlich.“

Der CDU-Mann spielte damit darauf an, dass die Teilnehmer des Attac-Workshops auch das Verhalten bei Sitzblockaden trainiert haben sollen. Tatsächlich hätten die etwa 100 Teilnehmern in einem Rollenspiel geübt, wie sie sich gegenüber der Polizei zu verhalten hätten, erklärt die Pressesprecherin von Attac, Frauke Distelrath. „Es ging jedoch vor allem darum, junge Leute, die noch nie an einer Sitzblockade teil genommen haben, in diese Situation zu versetzen.“ Während eine Teilnehmergruppe die Demonstranten darstellte, sich unterhakte und ihre Parolen skandierte, schlüpfte die andere Gruppe in die Rolle der Polizisten und versuchte, die Sitzblockade aufzulösen. „Es geht nicht nur darum, sich gegen die Polizei zu wappnen. Die jungen Leute sollen auch die Position der Polizisten verstehen“, sagte Distelrath.

Doch die Aktionswerkstatt ging weit über einfaches Sitzblockaden-Training hinaus. Robin-Wood-Aktivist Tobias brachte den Teilnehmern bei, wie man auf Bäume klettert, um Transparente anzubringen. Und von Samba-Trommlern aus Braunschweig lernten sie, welche Rhythmen sich bei einer Demonstration am besten eignen. Außerdem bauten die Teilnehmer mehrere Großpuppen, die bei den Demonstrationen im Juni eingesetzt werden sollen.

Ob während des Workshops tatsächlich geübt wurde, sich der Polizei zu widersetzen oder nicht – bei der Stadt Hannover ist eine derartige Nutzung städtischer Räume nicht erwünscht, wie Pressesprecher Dieter Sagolla erklärt. Zwar wolle er „Attac nicht unterstellen, gewalttätig zu sein“. Wäre jedoch bei der Antragsstellung das Ziel des Workshops ersichtlich geworden, hätte die Vermietung nicht statt gefunden, versichert er. „Antragsteller war allein Janun. Der Antrag schien absolut unverfänglich.“ Janun kündigte den Workshop auf seiner Homepage als „kreatives Wochenende“ an, das „dem Einstieg in vielfältige Aktionsmethoden und der kreativen Entwicklung von Aktionen“ dienen sollte.

Auch der Direktor der Integrierten Gesamtschule Linden, Christoph Walther, hatte in dem Antrag keinen Hinweis darauf gefunden, dass gewalttätige Aktionen geplant werden sollten. „Janun kennen wir als Umweltgruppe, mit der wir schon häufig intensiv zusammengearbeitet haben“, sagte Walther. So weit er wisse, hätten sich die Teilnehmer am Wochenendes „ordentlich verhalten und keine Probleme gemacht“. Er habe von der Aktion allerdings erst erfahren, als sie bereits vorbei war. Prinzipiell sei die Stadt verpflichtet, Räume für Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen. „Wenn diese jedoch Gewalt vorbereitenden Charakter haben, geht das nicht.“

Attac verwahrt sich währenddessen gegen die Anschuldigungen, sie würden gewalttätige Aktionen planen. „Wir sind ein eingetragener gemeinnütziger Verein, der sich dem gewaltfreien Widerstand in der Tradition von Martin Luther King und Mahatma Gandhi verschrieben hat“, sagte Pressesprecherin Distelrath. Wie der FDP-Stadtrat Engelke zu seinen Anschuldigungen komme, verstehe sie nicht. „Herr Engelke muss höchst uninformiert sein, seine Aussagen entbehren jeglicher Grundlage.“ Bis Juni werden die zahlreichen regionalen Organisationen von Attac weitere Workshops abhalten. „Die Mobilisierung gegen den G-8-Gipfel ist der Schwerpunkt unserer Aktionen im nächsten halben Jahr“, sagte Distelrath.