NACHTS IN DER U-BAHN : Nicht bewilligt
Allein nachts in der U-Bahn-Station. Ein Typ setzt sich neben mich auf die Bank und quatscht mich an: „Bist du deutsch?“, fragt er. „Gar kein Bock darauf“, denke ich und drehe mich weg. Er habe einen Brief vom Amt bekommen, den er nicht versteht. Er habe keine Freunde, die Deutsch könnten, ob ich ihm nicht helfen würde.
Bevor ich mich entscheiden kann, liegt der Papierstapel auf meinem Schoß. Eine ganz schön beschissene Anmache, denke ich. Aber die ordentlich getackerten Papiere sind zu wenig abgegriffen, als dass er diese Geschichte schon zehn anderen Frauen vor mir erzählt haben könnte. Also blättere ich. Ich wühle zwischen Protokollen und Tabellen mit bürokratischem Inhalt nach irgendetwas, was ich schnell für ihn zusammenfassen kann. Ich sehe Stichwörter wie „Antragsteller“, Sprachkenntnisse“, „Syrien“, „Aufenthalt“ – ich halte die Antwort auf seinen Asylantrag in den Händen. Er fragt: „Bleiben oder nicht bleiben?“ Ich blättere weiter, inzwischen sitzen wir in der U-Bahn. Weit hinten im Stapel folgt die Antwort der Ausländerbehörde: „Die Anerkennung nach § 60 (1) AufenthG-GFK wird nicht bewilligt.“ Uff, wie bringt man das einem Fremden in der U7 bei?
Ich habe es nicht so gut gemacht, denn er reagiert panisch. Er fragt mich, was er jetzt tun solle. Ich bin überfordert und schreibe ihm auf einem Zettel alle Organisationen, die sich für Geflüchtete einsetzen, die mir so spontan einfallen. Doch er hat eine bessere Idee: „10.000 Euro“, schreibt er daneben und symbolisiert mit Umklammerung des Ringfingers, dass er das für eine Ehe bezahlen würde. Ich schüttele den Kopf, aber nicht besonders energisch. Er sagt, dass es ja nur eine Scheinehe wäre. „Auf gar keinen Fall“, antworte ich. Als er mich an der Schulter fasst, werde ich unfreundlich und steige aus. Und frage mich, wer eigentlich wen beschissen angemacht hat.
SVENJA BEDNARCZYK