piwik no script img

Archiv-Artikel

Ringen um den Riesen

Die Airbus-Standorte im Norden fürchten ob der drohenden EADS-Sanierung um die Produktion von A 320 und A 380. Mit 260 Millionen Euro wollen Hamburg, Niedersachsen und Bremen deshalb bei EADS einsteigen, um die Werke zu sichern

Von Marco CariniKai Schöneberg und Sven-Michael Veit

Die Sanierung des Airbus-Bauers EADS wirft ihre Schatten voraus; kein Tag vergeht ohne ein neues Gerücht. Die Nachricht der Pariser La Tribune, dass das von EADS-Chef Louis Gallois zur Zeit vorbereitete Sparkonzept „Power 8“ vorsehe, die Endmontage des Riesenfliegers A 380 von Finkenwerder nach Toulouse zu verlegen und dafür die Produktion der Klein-Flieger A 318 bis 321 in Hamburg-Finkenwerder zu konzentrieren, löste gestern in Frankreich und Norddeutschland erhebliche Unruhe aus. Während französische Gewerkschaften gegen eine Verlagerung des Verkaufsschlagers A 320 Sturm laufen, fürchtet man in Finkenwerder um rund 5.000 Jobs, die am A 380 hängen.

Doch dass es zum Fertigungs-Tausch kommt, darf bezweifelt werden. Gegen die Komplett- Verlagerung der A 380–Produktion nach Toulouse spricht ein Vertrag zwischen Airbus und der Bundesregierung von 2002. In ihm ist ein deutscher Produktionsanteil am A 380 von „mindestens 27,3 Prozent“ festgeschrieben. Dieser lag 2005 mit 27,5 Prozent nur geringfügig höher.

Zieht EADS die A 380-Endmontage aus Hamburg ab, müsste der Flugzeugbauer zudem an Hamburg eine Vertragsstrafe von 80 Millionen Euro zahlen. Zudem regelt der Vertrag die Details eines Darlehen der Bundesrepublik an Airbus, das der Konzern benötigte, um den aufwendigen Riesenjet zu entwickeln. Gut 147 Millionen des 1,1 Milliarden Euro schweren Kredits waren Ende 2006 noch nicht ausbezahlt. Es sei „gut vorstellbar“ diesen Rest einzubehalten, falls Airbus Arbeitspakete zu Ungunsten norddeutscher Werke umverteile, sagt Anja Hajduk – Parteichefin der Hamburger Grünen und Haushaltspolitikerin der Bundestagsfraktion.

Doch „der Vertrag steht nicht zur Disposition“, ist sich der Hamburger Senatssprecher Lutz Mohaupt sicher. Der Grund für die hanseatische Gelassenheit: Als der neue EADS-Chef Louis Gallois vergangenen Oktober seinen Antrittsbesuch in Hamburg machte, versprach er nach Informationen der taz Bürgermeister Ole von Beust vertraulich in die Hand, an der Endmontage des A 380 in Finkenwerder nicht zu rütteln. Bleibt aber die A 380-Endmontage an der Elbe, ist auch eine Verlagerung der Kleinflieger-Produktion nach Finkenwerder so gut wie ausgeschlossen. Für „höchst spekulativ“, hält deshalb Mohaupt auch diesen Teil des französichen Zeitungsberichtes.

Nicht spekulativ dagegen ist der Einstieg Hamburgs, Bremens und auch Niedersachsens bei Airbus. Während sich Bremen mit rund 30 Millionen Euro am Erwerb eines 7,5-prozentigen EADS-Aktienpaketes, das zur Zeit noch von DaimlerChrysler gehalten wird, beteiligen dürfte, wird Niedersachsen mit knapp 80, Hamburg mit gut 150 Millionen Euro aufs Börsenparkett gehen. Nicht um da „Riesen-Einfluss zu kriegen“, sagte der niedersächsische Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) gestern in Hannover. Es gehe dem Land um „die Stabilisierung der Aktionärsstruktur“, also die Wahrung des Gleichgewichts zwischen Deutschland und Frankreich.

Während Hamburg nominal rund zehn Prozent des zum Verkauf stehenden Anteilspakets erwerben soll, will Niedersachsen laut Möllring „für einige Jahre“ fünf, Bremen zwei Prozent kaufen. Da der Aktien-Stückpreis noch nicht feststeht, sind die genauen Beträge noch offen, die „Größenordnung“ aber wurde der taz gestern auch aus Hamburger Senatskreisen bestätigt.

Um seinen Anteil an der von der Bundesregierung initiierten EADS-Beteiligung zu finanzieren, wird Hamburg kräftig an seinen Rücklagen knabbern müssen, die die Stadt aufgrund außerplanmäßiger Steuermehreinnahmen gerade erst um 200 Millionen Euro aufgestockt hatte. Die nach aktuellem Aktienwert 77 niedersächsischen EADS-Millionen wird die landeseigene Hannoversche Beteiligungsgesellschaft aufbringen.

Der Landesetat werde so zunächst nicht belastet, sagt Möllring und stellt dabei klar, dass Niedersachsen den klammen Bremern nicht unter die Arme greifen werde. Zur Finanzierung ihres Anteils soll die Wirtschaftsfördergesellschaft BIG einen Kredit aufnehmen.

Während der Bremer DGB den Einstieg des verschuldeten Landes bei EADS begrüßte, trägt der Koalitionspartner in Niedersachsen die Landesbeteiligung nur mit Zähneknirschen mit: Wichtig für die FDP sei, dass das Engagement „nicht dauerhaft“ sei, sagte Landeschef Phillip Rösler. Er sehe eine Beteiligung kritisch, die FDP werde sie aber nicht verhindern können, da das Parlament nicht gefragt werde.

Auch Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel kritisierte den Einstieg des Landes. Klassische Industriepolitik stoße schnell an haushaltswirtschaftliche Grenzen. Schon jetzt sei absehbar, welche Konzerne künftig an die Tür der Staatskanzlei klopfen würden, kleine und innovative Mittelständler würden „dann wieder in die Röhre“ kucken.