Bitte Stiefel ausziehen

Die Schlange vor der Tür und das Abwandern zu Dussmann: Das Cookies hat mal wieder eröffnet. Und weckte gleich wieder Neid auf die, die es reingeschafft haben

Bei 3.000 verschickten Eintrittskarten, die jeweils für zwei gelten, also 6.000 potenziellen Gästen und einem Raum, der für 800 Leute zugelassen ist, hat der Veranstalter möglicherweise ein Problem. Wie das aussieht, erfuhr man gestern im andauernden Nieselregen an der Friedrichstraße Ecke Unter den Linden. Dort hat Hein Gindullis im ehemaligen französischen Kulturzentrum hinter dem Hotel Westin Grand nach zweijähriger Suche eine neue Residenz für seinen legendären Club Cookies gefunden. Über dem Eingang ist ein Blatt angebracht, in einer bedenklichen Type steht da: Cookies. Und unter diesem Schild warten sie, die aufgeschniekten Männer und erfolgreichen Mitte-Damen, die alle eine Einladung haben und die alle reinwollen – obwohl der Club bis zum Bersten gefüllt ist.

Das Cookies hat sich immer von anderen Clubs in Berlin unterschieden. Es schert sich keinen Deut um die Presse und Werbung. Denn es funktioniert bestens ohne. Im Gegensatz zu anderen Clubs weiß das Cookies mit Sicherheit, wo es steht. Nämlich genau zwischen Paris Bar und Berghain. Es war nie bloß schickimicki, sondern barg immer auch das Versprechen von Dancefloor, Abenteuer und undergroundiger Wildheit.

Weder das Weekend noch der Club 103 konnten die Lücke schließen, die das Dahinscheiden des Cookies 2004 und wenig später des WMF hinterlassen hatten. Als Kellerklub gegründet, entspricht das Cookies vollständig einem Mythos der Berliner Nacht. Dauernd woanders, ständig am Schließen, zu Beginn am Rande der Illegalität und schließlich der heißeste Club der Stadt.

Wer es bei der Eröffnung des 6. Updates reingeschafft hatte, wurde zuerst mal fotografiert. Klar, wegen Glamour. Die eine oder andere Dame musste leider ihre schweren Cowboystiefel ausziehen und ihre Drogen abgeben. Doch dann war endgültig der Weg frei. Unten, in einem riesigen Saal, dessen Holzvertäfelung noch DDR-Moderne atmet, wird der DJ in der Mitte von den Tanzenden umzingelt. Heute spielt der Berliner Highfish Chicago House. Das gefühlte Fassungsvermögen des Tanzbodens geht weit über 800 Leute hinaus. Noch unfertig ist das obere Stockwerk, wo zwischen unverputzten Wänden eine Lounge oder ein Restaurant entstehen.

Natürlich waren alle da, natürlich waren alle sehr aufgekratzt. Die Musik war zu leise, aber im Cookies ging es nie wirklich um die DJs. Am letzten Standort in der Charlottenstraße hing im Eingang das berüchtigte Schild: „Nur für Freunde“. Die Taxischlangen und die Sportwagenreferenz vor der Tür, die Unisextoiletten und das großformatige „Ficken“-Bild im Clubraum: Das alles stand auch für das absichtlich Inszenierte, das übertriebene Understatement, das leicht Konzeptionelle. Man machte keine große Werbung und plötzlich legten eben doch die Pet Shop Boys auf.

Doch von den legendären Zeichen fehlte jetzt noch jede Spur. Nur zwei opulente Kronleuchter waren aus dem letzten Cookies mitgezogen und spendeten genau richtig zu wenig Licht. Der Charme des Unfertigen ist hier nicht nur Konzept, sondern einfache Tatsache. Es muss noch viel gemacht werden, aber der Rahmen steht.

Allein das Reinkommen blieb schwierig. Um halb elf zum ersten Mal die Ansage: Wegen Überfüllung geschlossen. Sie wiederholte sich danach permanent. Wer draußen einen Schirm von den Türstehern annahm, hatte endgültig verloren. Man wurde zwar nicht mehr nass, der Schirm war aber gleichzeitig Ausweis dafür, dass man auch in Stunden noch nicht reinkam.

So erweiterte sich das Cookies notgedrungen. Nicht nur durch die Schlange draußen, sondern von da aus weiter an die Bar des Westin-Hotels, zum Pinkeessen ins Stammhaus nebenan oder ins Dussmann-Kaufhaus, das ja nun bis zwei Uhr offen ist. Dort vertrieb man sich die Zeit, um es später noch einmal zu versuchen.

Am 26. Januar findet im Cookies die Modenschau zur Ideal Fashion Show statt. Ansonsten, als wäre es nie weggewesen: dienstags und donnerstags von 21 bis 5 Uhr. TIMO FELDHAUS