: Liedermacher entzweit die Koalition
Die SPD wirft der Linkspartei vor, sich nicht mehr ausreichend von ihrer SED-Vergangenheit zu distanzieren. Linkspartei-Landeschef Lederer reagiert empört, Fraktionschefin Bluhm rechtfertigt das Votum der Fraktion zur Ehrung Biermanns
Auch einen Tag nach dem überraschenden Votum der SPD für Wolf Biermann ringt Linkspartei-Landeschef Klaus Lederer mit der Fassung. „Es war die SPD, die keine Ehrenbürgerwürde für Biermann wollte. Nun wollen sie das Ganze uns in die Schuhe schieben.“ Lederer reagiert damit auf Vorwürfe der SPD, die Linkspartei distanziere sich nicht mehr in dem Maße von ihrer SED-Vergangenheit wie in der ersten Auflage der rot-roten Koalition.
Auch den Vorwurf, er selbst trage durch seine Anwesenheit bei der Beerdigung des Stasi-Vizes Markus Wolf zu einer solchen Haltung bei, wies Lederer von sich. „Genauso wie bei Biermann muss es auch bei Markus Wolf möglich sein, einen Menschen in seiner ganzen Widersprüchlichkeit zu würdigen.“
An seiner Ablehnung des SED-Regimes ließ der 31-jährige Lederer keinen Zweifel aufkommen. „Es geht um eine in ihren Konsequenzen – auch für Linke – furchtbare und willkürliche Herrschaftsausübung“, schrieb er gestern in einem Leserbrief an das Neue Deutschland. Anlass waren Auseinandersetzungen zwischen der reformorientierten Parteiführung und kommunistischen Gruppierungen beim Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht am vergangenen Sonntag.
Doch nicht nur auf der Liebknecht-Luxemburg-Demo zeigt sich neue Zwietracht bei den Genossen, sondern auch in der Fraktion. Der PDS-Abgeordnete Wolfgang Brauer reagierte auf die Enthaltung, mit der die Linksfraktion den Weg zu einer Biermann-Ehrung frei machte, mit offener Empörung. „Ich weiß nicht, warum ich jemanden zum Ehrenbürger wählen soll, der unsere Wähler verunglimpft“, schimpfte Brauer gestern.
Fraktionschefin Carola Bluhm dagegen rechtfertigte die Haltung der Fraktionsmehrheit. Die Entscheidung sei das Ergebnis eines schwierigen Abstimmungsprozesses. Biermann habe sich in den 70er- und 80er-Jahren Verdienste als sozialistischer Kritiker der DDR erworben, so Bluhm. „Seine Ausbürgerung 1976 war falsch und unrecht.“ Ihm deswegen die Ehrenbürgerwürde zu verweigern, könne als Versuch der nachträglichen Legitimation dieses Unrechts gewertet werden. Daran habe ihre Fraktion kein Interesse.
Zugleich betonte Bluhm, dass es möglich sein müsse, die Differenz zu Biermann deutlich zu machen. Immerhin habe er 2003 den US-Angriff auf den Irak befürwortet. Eine Beschädigung der rot-roten Koalition durch unterschiedliche Abstimmungen im Abgeordnetenhaus sieht Bluhm nicht. „Ich bin mir sicher, dass die Koalition die Meinungsverschiedenheit bei der Ehrenbürgerschaft aushält.“ Der Koalitionsvertrag dagegen schließt gegenteilige Voten beider Koalitionsfraktionen aus.
Unterdessen erneuerte die SPD ihre Kritik an der Geschichtspolitik der Linkspartei. „Es ist nicht so, dass die PDS jetzt einen Alleingang guthat, nur weil wir unsere Meinung geändert haben“, sagte SPD-Fraktionssprecher Peter Stadtmüller. „Vielmehr war es so, dass wir einen guthatten.“ Nicht nur die Anwesenheit Lederers bei der Beerdigung von Markus Wolf sei für viele Sozialdemokraten unerträglich gewesen. Auch das Schweigen des ehemaligen Kultursenators Thomas Flierl (PDS) gegenüber Stasioffizieren in Hohenschönhausen sei ein Hinweis darauf, dass die Auseinandersetzung mit der SED-Vergangenheit lascher werde. FLEE, WERA