piwik no script img

Archiv-Artikel

„Bessere Beratung der Politik“

WIRTSCHAFTSFORSCHUNG Das DIW stand lange in der Kritik. Die Vorwürfe: Verschwendung und autokratische Führung. Der neue Chef Gert Wagner erklärt, was sich ändert

Gert Wagner

■ 58, ist VWL-Professor an der TU Berlin. Seit 1989 leitet er das Sozio-ökonomische Panel (SOEP). Am Freitag wurde er Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.

INTERVIEW ULRIKE HERRMANN UND BEATE WILLMS

taz: Herr Wagner, Sie sind neuer Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Sie folgen damit Klaus Zimmermann, der vom Kuratorium vorzeitig abgelöst wurde. Was machen Sie anders?

Gert Wagner: Wissenschaftlich ist das DIW nicht schlecht aufgestellt. Georg Weizsäcker, dem neuen Vize, und mir geht es mehr darum, wie man Spitzenforschung und Politikberatung besser verknüpft.

Beim Prestigeprojekt der Politikberatung fehlt das DIW tatsächlich: Es nimmt nicht mehr an der Gemeinschaftsprognose für die Bundesregierung teil. Wie wollen Sie das Ansehen der DIW-Konjunkturforschung verbessern, die unter Zimmermann stark gelitten hat?

Der Konjunkturforschung muss im DIW selbst wieder mehr Anerkennung gezollt werden.

Ihr Budget wird aber nicht größer. Wo wird gespart?

Das können wir nicht zentral entscheiden. Wir müssen kollegial einen Weg finden, wie man zum Beispiel die Konjunkturforschung stärkt.

Wenn die Konjunkturforschung so wichtig werden soll – was folgt daraus für die Personalpolitik?

Um es platt auf den Punkt zu bringen: Meine Nachfolgerin oder Nachfolger soll makroökonomisch orientiert sein.

Sie sind kein Konjunkturforscher, sondern haben sich bisher mit der Einkommensverteilung befasst. Sind Sie nur ein Übergangskandidat?

Nein. Ich halte es grundsätzlich für sinnvoll, wenn Institutsvorsitzende nicht auf Lebenszeit berufen werden. Beim Berliner Wissenschaftszentrum, zum Beispiel, haben die meisten Präsidenten hinterher einfach eine Abteilung übernommen.

Nach 2012 werden Sie auf Ihren alten Posten zurückkehren?

Genau. Ich habe nicht darauf gewartet, das DIW leiten zu müssen.

Das war 1999 anders – damals haben Sie sich um die DIW-Leitung beworben. Aber am Ende wurde es Klaus Zimmermann, den Sie nun beerben.

Wir waren damals keine Konkurrenten. Persönlich kann ich mich über Klaus nicht beschweren – wiewohl ich Kritik an den Strukturen hatte.

Was lief schief? DIW-Mitarbeiter haben sich immer wieder über Zimmermanns autokratischen Führungsstil beklagt.

Ich bin der Falsche, um darüber zu urteilen. Ich setze meine Ideen auch gerne um.

Zimmermann verlangte, dass möglichst jeder in hochrangigen Fachzeitschriften publiziert. Doch bisher gelingt dies nur etwa der Hälfte der Wissenschaftler am DIW.

Ich meine, es sind mehr. Aber der Durchschnitt stimmt auf jeden Fall: Pro Vollzeitkraft können wir jährlich eine international anerkannte Publikation vorweisen. Das ist gut. Aber wir sollten künftig bewusst eine Spezialisierung zulassen, so dass manche nur forschen und sich andere auf die Politikberatung konzentrieren können. Gute Konjunkturprognosen erfordern nicht nur Forschung – sondern vor allem viel Erfahrungswissen, wie man Statistiken deutet.

Zimmermann wurde auch abberufen, weil ihm Verschwendung öffentlicher Mittel vorgeworfen wurde. Wie viel muss das DIW zurückzahlen?

Das wissen wir nicht. Da geht es übrigens keineswegs um Verschwendung per se, sondern um „Mittelfehlverwendung“ gemessen an den Vorschriften. Das ist etwas anderes als Verschwendung. Das Land Berlin muss nun entscheiden, wie viel es zurückfordert.

Welche Rolle spielt die Nähe zur Politik? Sie gelten als „SPD-nah“.

Stimmt nicht. Ich stehe der SPD nicht nahe, sondern bin Mitglied – als Karteileiche. Ich gehöre zur Willy-Wähler-Kohorte, die in den 1970er-Jahren eingetreten ist.

Hat es bei Ihrer Berufung zum DIW-Chef geholfen, dass Sie der SPD angehören? Das Land Berlin ist einer der DIW-Geldgeber und rot-rot regiert.

Vom Bund bekommt das DIW auch Geld, und dort bestimmt Schwarz-Gelb.

Und hört zum Beispiel das Finanzministerium auf das DIW?

Den größten Einfluss als Institut haben wir nicht durch direkte Beratung, sondern indem wir Daten und Analysen in den öffentlichen Diskurs einspeisen – zum Beispiel zur Einkommensverteilung.