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Archiv-Artikel

Glaube und Yak-Fett

Endlich alles glauben: der Belief-Supermarkt in China

„Ich glaube, ich glaube, da oben fliegt ’ne Taube“

Vor ein paar Tagen stand ich staunend vor einem Supermarkt in der südchinesischen Stadt Lijiang. „Belief Super – Market“ stand dran, in goldglänzenden Lettern. Wunderbar, hier wollte ich mir ein bisschen Glauben kaufen. Ich hatte kaum mehr welchen. Vorher machte ich mir aber eine Einkaufsliste. Darauf schrieb ich, was ich glauben wollte und was ganz sicher nicht.

Dazu googelte ich mir im allwissenden Internet zusammen, was man momentan so alles glaubt. „Ich glaube“, sagte Roman Herzog der Zeitschrift Cicero, „dass es immer noch gewaltige Einsparpotenziale in allen öffentlichen Haushalten gibt.“ – „Ich glaube“, fiel Präsident Bush mit ein, „das irakische Volk schuldet dem amerikanischen Volk ein großes Maß an Dankbarkeit, und ich glaube, dass die meisten Iraker das zum Ausdruck bringen.“ Sven Wiertz, der persönliche Referent von Remscheids Oberbürgermeisterin Beate Wilding, glaubte erst mal nicht, und zwar an die Fusion von Solingen, Wuppertal und Remscheid. Dann aber: „Ich glaube, dass dort im Zweifel ein Verwaltungsmoloch entsteht, in dem sich der Bürger nicht mehr wiederfindet.“

Glauben, Glauben und nichts, das ich wirklich haben wollte. Aber ich hatte das Internet noch nicht ausgelesen. Das hier schien interessant: Microsoft will seine westdeutsche Niederlassung im Jahr 2008 aus Neuss in den Kölner Rheinauhafen verlagern. „Ich glaube“, glaubte dazu Microsoft-Manager Michael Müller-Berg in den Kölner Stadtanzeiger hinein, „dass das Hafengebiet diesen Coolness-Faktor hat, der zur jungen Community passt, Stichwort Multimedia.“ Na ja, glaub, glaub.

War das denn wirklich alles? Wurde denn heute nichts wirklich Radikales mehr geglaubt? Moment mal, das klang gut irre: „Ich glaube, dass ich die schlechteste, wertloseste und nutzloseste Person bin, die je auf unserem Planeten gelebt hat, und dass ich es absolut nicht wert bin, die Zeit und Achtung von irgendjemandem zu beanspruchen.“ Der Satz soll Teil des „Ana-Glaubensbekenntnisses“ sein, glaubt neben dem Hamburger Abendblatt auch noch die Schweizer Zeitung Der Bund. Ana, sagen beide Blätter, sei so etwas wie die Göttin der Magersüchtigen, und der Satz sei „auf vielen Internetseiten zu finden“. Googelt man ihn aber, sind es nur sechs. Taugt also auch nichts, dieser Glaube.

Dennoch: An Glauben war kein Mangel. Und geglaubt wurde nicht nur, dass, sondern auch: an. „Ich glaube seit langem an Geister.“ Wer glaubte denn so was? Ach, nur die kleine Dickmadam Veronica Ferres im Kaputtenblatt Bild. „Ich glaube“, erwiderte ihr Heidi Klum in der Weltwoche, „an gute Gesichtspflege, gute Ernährung und gute Laune.“ – „Ja, ich glaube an die Wichtigkeit und die Zukunft der Volkswirtschaftskammer“, vertraute Susanne Huber der Jungfrau-Zeitung an. Zufällig war Frau Huber gerade die neue Geschäftsführerin der Volkswirtschaftskammer Berner Oberland geworden. Und „ich glaube“, brummte Karl Lagerfeld aus die aktuelle heraus, „an das Phänomen Paris Hilton.“ – „Ich glaube, ich glaube, da oben fliegt ’ne Taube.“ Endlich hatte ich mal einen schönen Glauben gefunden, doch der war leider alt. Der Refrain eines Berliner Schlagers vor dem Ersten Weltkrieg.

Insgesamt war das, was man so glaubte, ein ausgemachter Mist. Ich wollte an was anderes glauben. An hübsche Sachen, die wirklich zu was nutze sind und mich zufrieden machen. Ich schrieb also auf meine Einkaufsliste: 1. „Ich glaube, dass mich die vielen Zigaretten, die ich rauche, fitter machen.“ 2. „Ich glaube, dass alle hübschen, jungen Mädchen verrückt nach alten Männern ohne Haare sind.“ 3. „Ich glaube, dass sich mein Intelligenzquotient über Nacht verdoppelt, wenn ich mich mir nur einmal den Kopf schön dick mit Yak-Fett einschmiere.“

Dann ging ich in den Laden, um mir den Glaubensstoff zu besorgen. Wer beschreibt meine Enttäuschung, als ich entdeckte, dass es dort nichts als den üblichen Supermarktkrempel gab. Ich nicht. Ich nahm aber noch eine Dose Yak-Fett mit. Ich glaube irgendwie, es ist sehr gut.

CHRISTIAN Y. SCHMIDT