zwischen den rillen
: Kaffeehaus, später
Carla Bruni und Norah Jones zelebrieren kanonisierte Kultur: englische Poeme die eine, American Music die andere
Schöne Frauen singen schöne Lieder – so könnte man bei oberflächlicher Betrachtung zusammenfassen, was beide auf den ersten Blick verbindet. Doch weder bei Carla Bruni noch bei Norah Jones muss man sich Sorgen um die Substanz ihrer Karrieren machen. Fräuleinwunder gibt es immer wieder – diese haben über den Tag hinaus Bestand.
Dass Carla Bruni mehr ist als nur ein weiteres singendes Ex-Model, zeigte sie schon auf ihrem Debütalbum „Quelqu’un m’a dit“ von 2003. Vorbehalte konnte man ja haben bei einem der Supermodels der 90er-Jahre, das zuvor allenfalls durch Kampagnen für L’Oréal sowie Affären mit Alphamännchen wie Mick Jagger oder Donald Trump aufgefallen war. Doch Bruni entstammt eben nicht nur einer beneidenswert reichen, sondern auch einer musikalischen Familie: Ihr Vater, ein Industrieller, ist auch Komponist und Theaterintendant, die Mutter Konzertpianistin. Some girls have all the luck.
Das erklärt vielleicht das untrügliche Gespür für gefällige Melodien, das die 38-jährige Quereinsteigerin ins Chansonfach besitzt. Für ihr neues Album „No Promises“ hat Bruni nun Gedichte von Emily Dickinson oder William Butler Yeats vertont und singt erstmals auf Englisch. Mit ihrer suggestiven Stimme haucht sie den mit Klassikerstatus befrachteten Gedichten neue Leichtigkeit ein: Das Album klingt ganz so, als sei es beiläufig zu Hause auf der Gitarre eingespielt worden; dazu tragen auch die vielen Nebengeräusche bei, die kleinen Seufzer und Lacher.
Aber natürlich sind die Songs mit großer Sorgfalt komponiert – genauso wie das Stillleben auf dem CD-Cover, das Carla Bruni im Nachthemd kniend auf dem Fußboden eines kreativ unaufgeräumten Musikzimmers zeigt, ein Buch in der linken Hand: ganz so, als würde sie für eine „Schöner lesen“-Kampagne posieren. Das Auge hört eben mit bei Carla Bruni, die damit so etwas wie die weibliche Entsprechung zu Jack Johnson ist, jenem ehemaligen Surf-Champion, der jetzt als Songwriter Erfolg hat.
Bei Norah Jones liegen die Dinge ein wenig anders. Obschon mehr als zehn Jahre jünger, tritt sie viel weniger kokett-backfischhaft auf als Carla Bruni, weil sie ganz bewusst die musikalischen Traditionen ganzer Epochen bürdet. Auch das dritte Album „Not Too Late“ der 26-Jährigen wird von ihrem warmen Jazzgesang im Stil von Billie Holiday und meditativen Balladen geprägt, manchmal scheinen auch New-Orleans-Trompeten und Kurt-Weill-Reminiszenzen durch.
Mit Carla Bruni verbindet Norah Jones, dass beide auf einen kanonisierten Kultur-Konsens zurückgreifen: Bruni, indem sie als italienisch-französische Sängerin auf englische Gedichte der klassischen Moderne zurück greift. Und Norah Jones, wenn sie auf der color line zwischen „schwarzem“ Jazz und „weißem“ Country balanciert. Ihre Musik ist altmodisch und traditionsverbunden und klingt, als sei sie auf einer Südstaaten-Veranda zu Hause: Scheinbar unberührt von Urbanisisierung und musikalischem Fortschritt beschwört sie eine Zeit, lange bevor all die Latinos ins Land kamen und in den US-Ghettos der Hiphop erfunden wurde – und eine Idylle, die es so nie gab.
Das ist natürlich genau die richtige Musik für in die Jahre gekommene Großstädter, die Entspannung vom hektischen Arbeitsleben suchen und denen selbst Neofolk-Künstler wie Joanna Newsom zu anstrengend sind. Diese Klientel saugt sich ihre Musik nicht aus dem Netz und sucht ihren Kick auch nicht abends im Club. Nicht MTV, sondern Kaffehaus-Ketten wie „Starbuck’s“ oder Buchhandlungen wie „Barnes & Nobles“ sind deshalb in den USA für die angeschlagene Musikindustrie inzwischen zu den zentralen Orten geworden, um diese Zielgruppe mit Künstlern wie Norah Jones und Carla Bruni bekannt zu machen.
Wenn es so etwas wie Coffeetable-CDs gäbe – diese beiden würden eindeutig in diese Kategorie fallen: die eine eher unter „English Living“, die andere unter „American Style“. Aber beide ideal zu Hause oder im Café zu hören, während der Regen auf das Fenstersims klopft. DANIEL BAX
Carla Bruni: „No Promises“ (Naive). Norah Jones: „Not Too Late“ (EMI)