DIE BUNDESREGIERUNG HAT KEIN INTERESSE AM MÜNDIGEN VERBRAUCHER : Mangelware Information
Der Verbraucher ist überfordert. Er soll dafür sorgen, dass Bauern genug Geld verdienen, Bananenpflücker nicht mit Gift überschüttet werden und Hühner einen bequemen Stall haben. Zugleich lenken ihn jedoch alle ab vom politisch korrekten Konsum.
Auf der größten internationalen Verbrauchermesse, der Grünen Woche, wird beispielsweise seit Jahren die heile Welt verkauft – mit Milch von glücklich beglockten Alpenkühen und Bier, das mit reinsten Eifel-Quellwasser gebraut ist. Sicher, diese plumpen Illusionen durchschaut jeder, mehr oder weniger.
Immer öfter kaufen die Deutschen Bio. Selbst Discounter stellen Ökoriegel ins Regal. Perfekt ist darum aber noch nichts. Der Ökotrend zeigt nur, dass Unternehmen die Entscheidungen der Kunden ernst nehmen. Politik mit dem Einkaufswagen kann funktionieren. Die einzelne Stimme ist nicht entscheidend, aber sie zählt. Das ist im Geschäft nicht anders als in einem Wahllokal.
Das Problem: Die Käufer brauchen eine Orientierungshilfe. Man kann auf Champagner verzichten, wenn die Franzosen im Südpazifik Atomtests machen. Und niemand muss bei Shell tanken, wenn Umweltschützer die Firma an den Pranger stellen. Locker lässt sich auch das Ei aus der Legebatterie verschmähen. Doch wie ist es bei Kugelschreibern, Mixern oder Hosen? Woher soll der Verbraucher wissen, wo es weniger dreckig und unmoralisch zugeht?
König Kunde kann noch so lange im Internet suchen, in Warentests blättern und bei Behörden nachfragen: Er erfährt so gut wie nichts. Den Unternehmen liegt die Verführung näher als die Information. Allein in Deutschland geben sie jedes Jahr 30 Milliarden Euro für Werbung aus.
Ärgerlich, dass von der Bundesregierung keine Hilfe zu erwarten ist. Im Gegenteil will sie die Geheimniskrämerei mit ihrem Verbraucherinformationsgesetz noch zementieren. Es ist so formuliert, dass sich die Unternehmen um fast jede Auskunft drücken können. Die Wirtschaft bleibt vor neugierigen Verbrauchern auch in Zukunft perfekt geschützt. Der Bürger soll kaufen, wissen soll er nicht. HANNA GERSMANN