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Archiv-Artikel

„Es ist doch eher normal“

DANACH Der Bad Segeberger Autor Tobias Sommer war zum Bachmann-Wettbewerb eingeladen. Nun ist er zurück: preislos, aber zufrieden. Ein Gespräch über schweigende Juroren und widerlegte Erwartungen

Von GRÄ
Tobias Sommer 

■ 35, ist Finanzbeamter in Bad Segeberg. Seine Romane „Dritte Haut“ und „Edens Garten“ sind im Septime Verlag erschienen. Vergangene Woche hat er in Klagenfurt für den Bachmann-Preis wettgelesen.

taz: Herr Sommer, sind Sie enttäuscht, preislos aus Klagenfurt zurück zu kommen?

Tobias Sommer: Ein bisschen schon. Wenn man bei der Preisverleihung im großen Saal sitzt und denkt, vielleicht bin ich doch noch dabei. Aber unterm Strich bin ich total happy: Es hat sehr viel Spaß gemacht, ich habe interessante Leute kennengelernt, konnte auch mit den Kritikern gute Gespräche führen – für mein Schreiben ist das ein großer Schritt nach vorne.

Waren Sie nervös vor Ihrer Lesung?

Da habe ich mich selbst überrascht. Ich dachte vorher, ich würde aufgeregt sein, aber ich war es überhaupt nicht. Ich konnte meinen Text so vortragen, wie ich es wollte, von daher bin ich sehr zufrieden.

Die Kritik an Ihrem Text reichte von „virtuos geschrieben“ bis zu „sterile Angelegenheit“. Wie gut konnten Sie damit umgehen?

Dass der Text sehr unterschiedlich aufgenommen würde, damit habe ich gerechnet. Ich habe das ja auch bei den anderen Teilnehmern gesehen, da war bei jedem eine deutliche Spanne. Da sind teilweise auch Urteile gefallen, bei denen ich froh war, dass ich das nicht abgekriegt habe. An einer Stelle war ich erschrocken.

Nämlich?

In meinem Text sagte eine Figur auf einem Schiff: „Auf was für einer Zosse bin ich hier gelandet“. Daraufhin hat Burkhard Spinnen, einer der Juroren, gesagt: „Dass er nicht einmal weiß, dass eine Zosse kein Schiff, sondern ein altes Pferd ist“. Im ersten Moment dachte ich, meine Güte, dass mir so ein Fehler unterlaufen ist. Aber ich hatte Recht, es ist beides. Am Abend darauf ist Burkhard Spinnen zu mir gekommen und hat sich entschuldigt.

Wie muss man sich die Gespräche mit den Kritikern praktisch vorstellen: Klopfen die einem hinterher auf die Schulter und sagen: „Das wollte ich noch loswerden“?

Bei Herrn Winkels habe ich mich bedankt, weil ich toll fand, was er gesagt hatte. Und Herrn Dusini habe ich angesprochen, weil er zum Schluss gar nichts gesagt hatte, das hatte mich irritiert.

Es ist mutig, nach so einem Schweigen hinzugehen.

Er meinte, dass ein Großteil dessen, was er hatte sagen wollen, vorher schon gesagt worden war. Das sind ja alles Kritiker, die sich tagtäglich nur mit Literatur beschäftigen. Wenn die sich im Vorwege intensiv mit einem Text auseinandergesetzt haben, egal ob negativ oder positiv, ist das für einen Autor immer spannend.

Sie meinten im Vorfeld, dass Sie als Finanzbeamter in Klagenfurt vielleicht einen Exotenstatus haben würden – hat sich das bestätigt?

Kein Kritiker hat gesagt: Oh, das ist der vom Finanzamt. Durch das Videoporträt war es natürlich klar. Aber ich fand die Autorengruppe ohnehin ziemlich bunt gemischt. Es waren nicht alles hauptberufliche Autoren. Einer, mit dem ich mich gut verstanden habe, war etwa Lehrer. Alle waren begeistert von Literatur – aber es waren ganz normale Autoren, nicht dieser Künstler-Einzelkämpfer-Typus.

Gab es denn etwas, was Sie überrascht hat?

Ich habe mir das Studio größer vorgestellt. Wenn man das im Fernsehen sieht, denkt man, es ist riesengroß, die Kamera schwenkt dann vom rechten in den linken Flügel – es ist aber eher klein. Und insgesamt ist alles doch eher normal, es ist nicht so abgehoben.  INTERVIEW: GRÄ