: CDU will an Tests festhalten
REAKTIONEN Die türkische Gemeinde ist erfreut, die Union hält das Urteil hingegen für einen „deutlichen Rückschritt“ in der Integrationspolitik
BERLIN taz | Das Urteil spaltet die Große Koalition. Für die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), ist es „eine gute Nachricht für binationale Ehen“ und andere Betroffene. Zwar sei das Erlernen der deutschen Sprache für Einwanderer in Deutschland von „elementarer Bedeutung“. Deutsch könne man aber auch in Deutschland lernen. Falsch sei es deshalb, die Visavergabe an nachziehende Ehepartner daran zu knüpfen, ob sie vorher einen Deutschtest bestanden haben oder nicht. Özoguz hofft, dass diese Regelung auch bald für alle anderen Betroffenen fällt.
Ganz anders sieht das die Union. „Die Entscheidung ist ein deutlicher Rückschritt in der Integrationspolitik“, zürnte der innen- und rechtspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Michael Frieser. Seine Partei will darum so weit wie möglich an den umstrittenen Deutschprüfungen im Ausland festhalten.
Die umstrittene Regelung, dass einen Deutschtest bestehen muss, wer aus der Ausland zu seinem Ehepartner nach Deutschland ziehen will, hat die Bundesregierung 2007 mit den Stimmen von Union und SPD beschlossen. Ausnahmen gelten nur für EU-Bürger und für Ehepartner aus Industrieländern wie den USA, Neuseeland, Israel oder Japan. Ihnen wird zugetraut, auch ohne staatlichen Druck Deutsch zu lernen.
Begründet wurde diese neue Hürde damit, dies würde helfen, Zwangsheiraten zu verhindern. Frauenrechtsorganisationen hatten diesen Effekt allerdings von Anfang an in Zweifel gezogen und zur Bekämpfung von Zwangsehen andere Mittel vorgeschlagen. Nur einige wenige, wie die Publizistin Seyran Ates, die gestern von Johannes Gauck das Bundesverdienstkreuz verliehen bekam, sehen das anders: „Der Sprachtest schützt Frauen vor Menschenrechtsverletzungen“, erklärte sie in der Süddeutschen Zeitung kategorisch.
SPD, Grüne, Linkspartei und die türkische Gemeinde hingegen begrüßen das Ende der Sprachtests in der Türkei. Die deutsche Sprache lasse „sich sehr viel einfacher und besser im deutschen Sprachumfeld in Deutschland“ erlernen, findet die Linke Sevim Dagdelen. „Die Union hat den Schutz vor Ehe und Familie von Türken mit Füßen getreten“, sagte Volker Beck, innenpolitischer Sprecher der Grünen. „Deutsch lernt man in Deutschland am schnellsten.“
Und der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, erklärte, die Regel solle auch für alle anderen wegfallen. Sein Verband hatte deshalb den Integrationsgipfel schon im Jahre 2007 boykottiert.
Das Bundesinnenministerium kündigte an, die Entscheidung des EuGH nun sorgfältig zu prüfen und über mögliche Änderungen bei den Anforderungen zum Familiennachzug zu beraten. Das dürfte jetzt spannend werden. DANIEL BAX