: Im Leerlauf nach unten unterwegs
HEIMNIEDERLAGE II Nach dem 0:1 gegen den HSV fragt man sich, wie Wolfsburg die Klasse halten will
WOLFSBURG taz | Der Fußballbundesligist VfL Wolfsburg lässt sich auf seinem Weg in Richtung Abstiegsplätze auch durch den Trainerwechsel der vergangenen Tage nicht aufhalten. Solide Organisation und eine Prise Spielkultur, mehr brauchte es für den Hamburger SV nicht, um ein 1:0 mit nach Hause zu nehmen. Torschütze Mladen Petric (33.) zeigte dabei, dass auch die Regel, wonach ein Gefoulter den Elfmeter nicht schießen solle, schlimmster Fußballaberglaube ist.
Nicht schießen darf ein Spieler nur, wenn der Trainer einen anderen bestimmt hat. Sonst sitzt er auf der Tribüne wie Wolfsburgs Diego. Wer nach diesem Spiel behauptet, dadurch hätten den Wölfen Spielaufbau und Kreativität gefehlt, muss bedenken, dass das auch mit Diego nicht anders war. Wenn der Vergleich gestattet ist: Die VW-Tochter VfL Fußball GmbH glich auch im ersten Spiel des Interimstrainers Pierre Littbarski einem Motor im Leerlauf. Es brummte, aber es bewegte sich nichts. Die in der Stadt hängenden VfL-Werbeplakate mit der Aufschrift „Großes Kino“ wirken derzeit wie Hohn.
Vermutlich wird man sich bereits nach dieser einen Niederlage bei VW und VfL fragen, wie viel Zeit man dem vormaligen Assistenten des beurlaubten Steve McClaren gibt. „Ich weiß nicht, wann Feierabend ist“, sagt Littbarski. Er geht davon aus, in Freiburg am Samstag zumindest eine zweite Chance zu bekommen. Nun ist ein Spiel selbst im, ähem, schnelllebigen Fußball kein Gradmesser. Andrerseits scheint die Lage wirklich sehr prekär. Die Fragen sind offen, wie man den verkauften Weltklassespieler Dzeko ersetzen will, ob man die richtigen Neuzugänge hat und wie lange es braucht, aus Alt und Neu zumindest ein Interimsteam zu formen, das die etwa fünf Siege einfährt, die es zum Klassenerhalt braucht. Die Momentaufnahme zeigt eher eine Gruppe, deren Konsistenz nicht zugenommen hat. Mal davon abgesehen, dass Arne Friedrich ein großer Gewinn ist: Was tun, wenn man Littbarski das, was man ihm zutraut, nächsten Samstag, 17.20 Uhr, nicht mehr zutraut? Und es tatsächlich so sein sollte, dass der Konzepttrainer Ralf Rangnick kommt, aber eben erst im Sommer? Die Lokalzeitungen bringen den Rosenzüchter Hans Meyer, 68, ins Spiel. Der hat einen guten Ruf als Retter von verschuldet in Not geratenen Bundesligaklubs. VfL-Geschäftsführer Dieter Hoeneß musste auch zu seinen Berliner Zeiten davon Gebrauch machen.
Der VfL Wolfsburg, der mit dem Trainermanager Felix Magath in zwei Jahren an die Spitze der Liga gesprintet war, ist nun unter Anleitung von Hoeneß in gleicher Geschwindigkeit unterwegs – nur in die umgekehrte Richtung. Zumindest auf den Zusammenhang wollen wohl jene Stadiongänger hinweisen, die „Hoeneß raus!“-Chöre anstimmten.
Im Moment, so scheint es, ist die beste Idee, mit Ralf Rangnick einen neuen und diesmal nachhaltigen Aufbau anzugehen. Die Pointe an der Geschichte: Rangnick ist vermutlich der einzige Trainer der absoluten Spitzenklasse, dem man es zutrauen würde, dass er seine Aufbauarbeit auch in der Zweiten Liga beginnt. PETER UNFRIED