DIE WERBEPAUSE
: Russisch für Werber

Russlands Hauptstadt ist ein Eldorado für die Werbebranche. Ungenutzte Freiflächen sind in Moskau kaum noch zu finden. Sie sind knapp und teuer wie Wohnraum, sodass selbst Mietshäuser zu beliebten Werbeträgern wurden. Reklame sei ein wichtiger Bestandteil des Images der Metropole, meint der Föderale Antimonopoldienst in Moskau, der für die Überwachung des Werbegeschäfts zuständig ist. Das Hauptstadtimage sieht er unterdessen durch den Wildwuchs der Branche zunehmend gefährdet.

Schädlich empfinden die Ordnungshüter vor allem das Eindringen von Fremdwörtern in die russische Sprache. Wer mit sale oder discount lockt, dürfte demnächst zur Kasse gebeten werden. Denn ein neues Gesetz schreibt auch in der Werbung den Gebrauch des Russischen vor: Gibt es ein russisches Pendant, so muss dieses benutzt werden, rasprodasche für sale oder skidki für discount. Fehlt ein russisches Wort, darf das Original in kyrillischer Schrift benutzt werden – aber nur, wenn es bereits lexikalisch belegt ist.

Da der Moskauer kauffreudig ist, lässt er sich von diesen Sperenzien nicht merklich beeindrucken. Am wikend fährt er zum schoppen in die megamols am Stadtrand und isst Pizza oder einen bigmak bei McDonald’s, wo das herkömmliche Firmenzeichen in lateinischer Schrift werben darf, die Fritten aber als kyrillische frity auf den Speisekarten stehen müssen.

Die Sprachaufseher sind alarmiert. Denn auch das Gesetz, das Russisch zur Staatssprache erhebt, wird von der Werbung missachtet. Modebewusste russische bisneswumen könnten in den Werbespots, so die Befürchtung, mit dem Wort fashion nichts anfangen. Daher sollte es übersetzt werden. Moda heißt das entsprechende Wort, was seinerzeit aus dem Französischen entlehnt wurde. Und wird die „neue Frühjahrskollektion“ ins Russische übertragen, so denkt ein Russe zunächst an Briefmarken oder Münzen.

Russlands Bürokratie hielt die Bevölkerung schon immer für beschränkter als sich selbst. Böse Zungen vermuten daher, dass sich die Beamten mit der sprachlichen Reinheitskampagne ein Zubrot sichern wollen. Immerhin sind die Strafen zwischen 2.000 und 10.000 Euro für das Sprachvergehen beträchtliche Summen.

KLAUS-HELGE DONATH, MOSKAU