Poker um die Salzkavernen

Der für April geplante Lieferstart der Bremer Gas-Genossenschaft steht auf der Kippe. Zwar gäbe es Leitungen, durch die das Gas nach Bremen und Hannover fließen könnte. Den nötigen Zwischenspeicher aber reklamiert Eon erst einmal für sich

aus Bremen ARMIN SIMON

Sie wollten Pioniere sein, die Bremer Gas-GenossInnen. Wollten und wollen als erste beweisen, dass eine selbstorganisierte Gasversorgung möglich ist, und das sogar günstiger als über die großen Energiekonzerne. Gut 1.000 KundInnen haben sie in Bremen und Hannover zusammengetrommelt, einen Lieferanten gefunden und eine Leitung, die das Gas nach Bremen brächte. Eigentlich könnte es im April losgehen.

Stattdessen steht das Projekt zehn Wochen vor dem geplanten Start auf der Kippe. „Da ist etwas dazwischengekommen“, räumt Genossenschafts-Vorstand Jürgen Franke ein. Das „etwas“ heißt Eon Ruhrgas, beliefert unter anderem den Bremer Energieversorger SWB mit Gas und gilt nicht gerade als Vorreiter in Sachen Liberalisierung und Wettbewerb.

Kein Platz fürs Genossenschaftgas in der Eon-Pipeline nach Bremen, hieß es schon vor Monaten. Das kümmerte die Gas-GenossInnen noch wenig, denn auch die BEB Transport und Speicher Service betreibt eine Leitung von Holland nach Bremen, und da ist noch Platz frei. Doch dem Energiemulti Eon gehören auch die Salzkavernen im nordrhein-westfälischen Epe bei Gronau, die als Zwischenspeicher für Erdgas genutzt werden. Und Speicher sind im Ringen um den Erdgasmarkt inzwischen einer der wichtigsten Trümpfe.

Das hängt mit den Differenzen zwischen Angebot und Nachfrage zusammen: Die Gasfelder liefern das Gas relativ kontinuierlich. Der Verbrauch aber schwankt je nach Witterung und Tageszeit. Wer daher, wie die Genossenschaft, Haushaltskunden mit Gas beliefern möchte, muss dieses „strukturiert“ ins Netz einspeisen: zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Menge.

Bisher sahen die Gas-Genossen auch darin kein Problem. Ihr niederländischer Lieferant Nuon konnte eine der Eon-Kavernen in Epe nutzen. Allerdings nur bis Ende Dezember. Dann verweigerte Eon eine Verlängerung des Vertrages. Einer „indirekten Blockade“ komme das gleich, schimpft Frankes Vorstandskollege Wolfram Kaiser: „Das bedeutet, dass wir im Wettbewerbszugang behindert werden.“ Ohne den Speicher kann der Lieferant kein „strukturiertes“ Gas nach Deutschland liefern. Zwar hat Nuon inzwischen einen eigenen Speicher in Betrieb genommen, ebenfalls in Epe. Bei dessen Anschluss ans deutsche Gasnetz aber gibt es „Probleme“, so heißt es. Man streite sich mit dem Netzbetreiber um die Kosten, teilt Nuon mit. Der Netzbetreiber heißt: Eon.

Den Bremer GenossInnen rennt derweil die Zeit davon. Spätestens Mitte Februar müssten sie den Wechsel von ihrem bisherigen Versorger zur Genossenschaft beantragen, zuvor muss der Preis für das Genossenschaftsgas verbindlich feststehen. Man prüfe noch, ob man die „strukturierte“ Gaslieferung nicht auch auf anderem Weg sicherstellen könne, sagt Kaiser. Zur Not werde man erst im Mai oder Juni anfangen. Unbegrenzt können die GenossInnen ihren Lieferstart allerdings schon aus finanziellen Gründen nicht hinausschieben – ihre Reserven sind begrenzt. „Wir müssen gucken“, sagt Kaiser, „wie es jetzt weitergeht.“

Der Gasmarkt-Experte ist sicher, dass Eon die Entscheidung, sich die Verfügungsgewalt über seine Speicher zu sichern, nicht ohne Hintergedanken gefällt hat. „Denen war schon klar, was das bedeutet“, sagt er. „Die haben kein Interesse an Konkurrenten am Markt.“ Zupass kam dem Konzern dabei eine Gesetzeslücke. Im Gegensatz zu den örtlichen Verteilernetzen – und anders als in einigen anderen europäischen Ländern – ist der Zugriff von Konkurrenten auf die Gasspeicher der großen Monopolisten in Deutschland bisher nicht durch staatliche Verordnungen geregelt.

Weit auseinander liegen Anspruch und Wirklichkeit des vielbeschworenen Wettbewerbs auf dem Gasmarkt auch noch in anderen Punkten. So hat sich die Branche zwar auf ein einheitliches Vertragsmodell für Gaslieferungen und -durchleitungen geeinigt. Zehn Wochen vor dem Start des neuen Gaswirtschaft-Halbjahres allerdings liegt der bei einem Berliner Anwaltsbüro in Auftrag gegebene Muster-Vertragstext immer noch nicht vor. Für die Durchleitung des Gases von der holländischen Grenze bis nach Hannover etwa, wo die Bremer Genossenschaft hofft, einige Hundert Mitglieder mit Gas beliefern zu können, sind bislang weder Modalitäten noch Preise geklärt.

Auf EU-Ebene denkt man inzwischen mehr oder weniger laut darüber nach, die Gasspeicher europaweit einer staatlichen Regulierung zu unterwerfen. Diese Debatte dürfte auch Eon Ruhrgas nicht verborgen geblieben sein. Am vergangenen Donnerstag erst verkündete der Energiekonzern, Anfang Februar 200 Millionen Kubikmeter Erdgas-Speichervolumen meistbietend versteigern zu wollen – knapp vier Prozent der eigenen Speicherkapazität. Ziel sei die „Verbesserung des Wettbewerbs auf dem Gasmarkt“, hat Vertriebsvorstand Bernhard Reutersberg wissen lassen. Mitbieten wird auch der Lieferant der Bremer Genossenschaft.