: Gegrilltes Fleisch, warmes Bier und spannende Actionszenen
MÖRDERISCH In seinem Genredebüt „Nairobi Heat“ setzt Mukoma wa Ngugi den ruandischen Bürgerkrieg auf die literarische Weltkarte
Ein blondes junges Mädchen liegt tot vor dem Haus eines schwarzen Mannes in einer der besseren Gegenden einer amerikanischen Universitätsstadt. Detective Ishmael, selbst Afroamerikaner, wird zu dem Fall gerufen und gewinnt einen verwirrenden Eindruck von dem Bewohner des Hauses, einem aus Ruanda stammenden Afrikaner namens Joshua Hakizimana. Dieser behauptet glaubhaft, er habe die Tote noch nie zuvor gesehen und sie in leblosem Zustand auf seiner Schwelle vorgefunden, scheint jedoch fast ein wenig zu ruhig angesichts der Ereignisse. Bald darauf erfährt Ishmael, dass es sich bei dem eindrucksvollen Joshua um einen gefeierten Helden aus dem ruandischen Bürgerkrieg handelt, einen ehemaligen Schulleiter, von dem erzählt wird, er habe vielen hundert Menschen das Leben gerettet.
Weder lassen sich Indizien für eine Schuld des Kriegshelden an der Ermordung des Mädchen finden, noch geht ein Hinweis auf die Identität der unbekannten Toten ein, und so scheint der Fall gleich zu Anfang gründlich in eine Sackgasse gefahren. Da erhält Ishmael einen anonymen Anruf, mit dem er aufgefordert wird, seine Ermittlungen in Kenia fortzusetzen, aufgrund der politischen Implikationen des Falles gibt sein Chef ihm grünes Licht, auf Kosten der amerikanischen Steuerzahler für zwei Wochen nach Nairobi zu fliegen.
Die Tatsache, dass die Hauptfigur selbst auch schwarz, jedoch Amerikaner ist, verleiht dem afrikanischen Setting eine eigene Spannung. Wiederholt wird Ishmael als mzungu, als Weißer, beschimpft, da er durchaus als Fremder auffällt; andererseits erlaubt ihm seine Hautfarbe, wesentlich unauffälliger zu agieren, als dies einem weißen Amerikaner möglich wäre. Der kenianische Kollege Odhiambo, „O“ genannt, der ihm als Aufpasser zur Seite gestellt ist, wird schnell zu einem Freund und Partner. Gemeinsam verzehren die beiden reichlich nyama choma (gegrilltes Fleisch) und warmes Bier, was zusammengenommen, wie man erfährt, in Kenia eine Art kulinarische Grundausstattung ist, und ermitteln im Milieu der ruandischen Bürgerkriegsflüchtlinge.
Der Kunstgriff, die eigentliche Kriminalhandlung auf das ruandische Umfeld zu konzentrieren, ermöglicht es Mukoma wa Ngugi, Nairobi und Umgebung zwar als atmosphärischen und kulturellen Hintergrund zu nutzen, auf die politische Situation in Kenia selbst aber nicht einzugehen. Es gelingen ihm teilweise Szenen von beklemmender Intensität, etwa wenn die Polizisten im Flüchtlingslager eine Gruppe von Vergewaltigern gleichsam exekutieren oder wenn Ishmael, beim Pinkeln im Männerklo einer Bar von einem Angreifer überrascht, nur haarscharf einem Mordanschlag entkommt.
Die wirklich spannend geschriebenen Actionszenen – und das können nur wenige richtig gut – sind die eigentliche Stärke dieses Debüts, ebenso ein sicheres Gespür für Situationskomik, das dafür sorgt, dass auch die blutigsten Szenen noch lesbar bleiben. Die Krimihandlung dagegen ist wenig organisch nach dem Deus-ex-machina-Prinzip aufgebaut und wird hauptsächlich durch eine Reihe komplett unwahrscheinlicher Zufälle vorangetrieben.
Mukoma wa Ngugi, im Brotberuf Dozent für Literaturwissenschaft an der Cornell University und im Übrigen ein Sohn des berühmten exilkenianischen Großschriftstellers Ngugi wa Thiong’o, hat sich für sein Genredebüt insgesamt vielleicht etwas zu sehr auf die Wirkung des exotischen Settings verlassen. Den ruandischen Bürgerkrieg auf die literarische Landkarte der Welt zu setzen ist aber unbestreitbar verdienstvoll. KATHARINA GRANZIN
■ Mukoma wa Ngugi: „Nairobi Heat“. Aus dem Englischen von Rainer Nitsche. Transit Verlag, Berlin 2014, 176 S., 19,80 Euro