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Archiv-Artikel

CDU sucht nach Geld für ältere Hartz-Opfer

Union einig: Wer lange gearbeitet hat, soll mehr Geld kriegen. Dafür sollen andere weniger bekommen

So will die CDU sparen: Eltern sollen für Kinder zahlen – und Kinder für Eltern

BERLIN taz ■ Es sei ungerecht, dass Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet haben, durch die Hartz-Gesetze mit jungen Arbeitslosen gleichgestellt werden. Mit diesem Argument ist ein gewisser Oskar Lafontaine von Anfang an gegen die Arbeitsmarktreformen zu Felde gezogen, die Rot-Grün und die Union einst beschlossen. Umso überraschender wirkt es nun, dass der nordrhein-westfälische CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers jetzt mit ähnlichen Argumenten Änderungen der Hartz-Reform fordert – und dabei auch noch vom Generalsekretär der Bundes-CDU unterstützt wird.

„Die Bürger sagen, dass diese Reform ungerecht ist – und sie haben Recht“, verkündete Rüttgers gestern und wurde konkret. „Die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes wird wieder stärker an die Dauer der Beitragszahlung gekoppelt“: So steht es in einem Antragspapier der nordrhein-westfälischen CDU-Landesvorstands für den Bundesparteitag Ende November, das der taz vorliegt. Eine weitere arbeitslosenfreundliche Forderung darin: Die Freibeträge zur Altersvorsorge sollen erhöht werden. Die Forderungen aus NRW trage er mit, ließ CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla mitteilen. Eine Sensation? Nur auf den ersten Blick.

Zur Gesetzeslage: Mit der Hartz-Reform wurde die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I – also die Zeit, in der Arbeitslose rund 60 Prozent ihres früheren Einkommens ausgezahlt bekommen – generell auf 12 Monate beschränkt. Danach bekommen die meisten nur noch Arbeitslosengeld II, also 345 Euro plus Wohngeld und Kinderzuschüsse. Rüttgers’ neues Modell, das er für gerechter hält und das er auf dem CDU-Parteitag präsentieren möchte, sieht so aus: Wer 15 Jahre gearbeitet hat, soll künftig 15 Monate Arbeitslosengeld I bekommen. Nach 25 Jahren Arbeit soll sich der Anspruch auf 18 Monate verlängern und bei über 40 Jahren auf 24 Monate.

Was Rüttgers nicht erwähnte: Eigentlich wollte er noch mehr – 24 Monate Arbeitslosengeld I schon nach 30 Arbeitsjahren zum Beispiel. Auf diese und andere Forderungen hat er offenbar erst nach Verhandlungen mit Pofalla verzichtet. Das Modell, das Rüttgers jetzt vortrug, ist keineswegs ein neuer Gedanke des linken Flügelkämpfers, sondern „genau die Beschlusslage vom Bundesparteitag der CDU 2004“, wie in der Parteizentrale betont wurde. In der Tat hatte die CDU damals schon die längeren Bezugszeiten beim Arbeitslosengeld I gefordert. Die Parteizentrale spielte den neuen Antrag deshalb jetzt als „Bekräftigung der Beschlusslage“ herunter. Der entscheidende Unterschied ist nur: 2004 war die CDU noch in der Opposition. Heute, als Regierungspartei, muss sie erklären, wo das Geld für die großzügigere Arbeitslosengeld-I-Auszahlung herkommen soll. In Berlin wurde deshalb betont, dass Pofalla dem Antrag nur unter einer Prämisse zugestimmt habe: „Es soll aufkommensneutral sein.“ Das heißt: Die CDU will auf keinen Fall insgesamt mehr Geld an Arbeitslose verteilen. „Es muss irgendeine Form der Gegenfinanzierung geben“, hieß es aus der Bundestagsfraktion. „Wenn länger ALG I bezahlt werden soll, muss man das Geld dafür anderswo hernehmen.“ Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) hatte Rüttgers deshalb bereits vorgeworfen, er spreche immer nur über die Schokoladenseite seiner Änderungsvorschläge. Wie Rüttgers die Gegenfinanzierung vorschlägt? In seinem Antrag heißt es dazu: In den Fällen, in denen „Arbeitsangebote mutwillig abgelehnt“ werden, müssten die Sanktionsmöglichkeiten „besser ausgeschöpft“ werden. Außerdem soll vor der Auszahlung von staatlichen Leistungen eine „gegenseitige Einstandspflicht von Eltern für ihre Kinder als auch von Kindern für ihre Eltern“ greifen. LUKAS WALLRAFF