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Archiv-Artikel

Nicht nur reden, auch kosten

COME TOGETHER Auf der Doppelmesse beschäftigt sich die Branche nicht nur damit, wie man Menschen satt macht. Auch der gute Geschmack spielt eine entscheidende Rolle

Die Zukunft bringt „Bio-Convenience“: tiefgekühlte Klöße und Karotten aus der Dose

VON MANDY KUNSTMANN

Die Ökobranche ist überzeugt: Bio kann die Welt ernähren. Doch was genau müssen Hersteller und Händler unternehmen, um mit Biolebensmitteln die Ernährung der Welt sicherzustellen? Welche Auswirkungen bringen unterschiedliche Ernährungsstile mit sich? Und wie genau sieht der grüne Konsum der Zukunft aus? Diese und andere Fragen stellt sich der internationale Biofachhandel vom 16. bis 19. Februar 2011 auf der BioFach, der Weltleitmesse für grüne Produkte.

In diesem Jahr rückt die Schau das Thema „Welternährung“ in den Fokus. Mehr als 40.000 Fachbesucher aus 90 Ländern pilgern zur BioFach und der parallel stattfindenden Vivaness, bei der Naturkosmetik und Wellness im Mittelpunkt stehen. Rund 2.500 Aussteller präsentieren sich an den vier Messetagen in den Nürnberger Ausstellungshallen. Auch Elfi Braun hat einen Stand gemietet.

Die Erwartungen der Biounternehmerin sind groß. Denn schon im vergangenen Jahr waren sie und ihre Tochter mit einer Auswahl eigens hergestellter grüner Produkte dabei. Ein super Einstieg war das, sagt die 43-Jährige, in deren Manufaktur sich alles rund um die Brennnessel dreht. „Der Stand war ständig umzingelt“, erzählt sie begeistert.

Die Branche will die Zukunft nachhaltig gestalten und stellt sich die Frage, wie Bio alle Menschen dieser Erde ernähren kann. Für den Ökolandbau ist das eine Herausforderung, sagt Felix Prinz zu Löwenstein, Vorstandsvorsitzender des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Der Verband und Veranstalter der Schau beschäftigt sich schon lange damit, wie das Welternährungsproblem ökologisch gelöst werden kann.

Die Branche glaubt fest daran, dass die ökologische Produktionsweise der Massenproduktion oder Gentechnik überlegen ist. Diese müsse unter anderem auf deutlich reduzierte Tierproduktion abzielen und Flächen für den Pflanzenanbau gewinnen. So können die gewaltigen Schäden der industrialisierten Agrarwirtschaft reduziert werden, zum Beispiel wenn aufgrund von Viehseuchen hunderttausende Tiere getötet werden müssen. Doch ohne den Menschen gehe es auch nicht: Er müsse seine Konsumgewohnheiten entsprechend anpassen.

Publikum und Aussteller sollen in Kontakt treten und angeregte Diskussionen führen. Dass das im turbulenten Messegeschehen in den zehn Hallen und zwei Kongresszentren nicht einfach ist, wissen auch die Veranstalter – und haben vorgesorgt. Ein Fachhandels-Café, in dem Interessierte in Ruhe und bei einem heißen Getränk Kontakte zu Kollegen knüpfen können, wurde eingerichtet. Darüber hinaus gibt es in diesem Jahr einen Ruhebereich, den sogenannten Fachhandels-Club.

Kontakte knüpfen, das will auch Elfi Braun. Gleich zwei Neuheiten aus ihrer Manufaktur im Erzgebirge sollen die Messegäste an ihren Stand in Halle 9 locken: ein veganes Brennnesselpesto und luftgetrockneten Brennnessel-Müsliriegel. Der Plan dürfte aufgehen. Die Produkte treffen den Geist der Zeit.

„Der Trend geht hin zu Convenience-Produkten“, sagt Kirsten Schlegel-Matthies, Professorin an der Fakultät für Naturwissenschaften der Universität Paderborn. „Möhren oder Kartoffeln, von denen man im Laden noch den Sand abklopfen musste, gab es gestern“, so die Haushaltswissenschaftlerin. Heute gebe es tiefgekühlte Biokartoffelpuffer, Bioklöße oder sogar Biokarotten aus der Konserve. Anders gesagt: Die Zukunft heißt „Bio-Convenience“.

Der Krise hat die internationale Biobranche erfolgreich die Stirn geboten. Stabil ist auch der deutsche Naturkosteinzelhandel durch das Krisenjahr 2009 gesteuert. Trotz der schwierigen Situation ist es den Händlern gelungen, viele der Neukunden als Dauerkäufer zu gewinnen. Und 2010 haben Bioläden und -märkte mit einem Umsatzzuwachs von etwas über 4 Prozent abgeschlossen.

Bio boomt also weiterhin. Davon profitiert auch Brennessel-Unternehmerin Braun. Drei Mitarbeiterinnen hat sie im ersten Geschäftsjahr eingestellt. Und wenn ihre Tochter das Studium beendet hat, wird auch sie mit in die kleine Firma einsteigen.

Für viele Biolebensmittelproduzenten stellt sich die Frage der Nachfolge. Die Zukunft muss gesichert sein. Auch diesen Aspekt lässt die BioFach & Vivaness 2011 nicht ungeachtet. Erstmals widmet sich eine Sonderschau den Themen Bildung und Arbeit. „Mit der Jobbörse wollen wir Unternehmen eine Plattform geben, um mit Nachwuchskräften in Kontakt zu treten“, sagt Messesprecherin Barbara Böck.

Frische, Internationalität und Innovationskraft: Darauf setzt die BioFach. Zahlreiche Neuheiten haben die Aussteller jedes Jahr mit im Gepäck. Auf ungefähr 500 Quadratmetern werden die unterschiedlichsten Produkte aus dem In- und Ausland vorgestellt: angefangen von der runden Schokoladentafel bis zum Steinpilzgewürz, vom umweltverträglichen Abenteuerurlaub in Lappland bis hin zur Waschnuss.

Erstmalig werden in diesem Jahr die besten Neuheiten gekürt. Jeder Fachbesucher hat die Chance, sein Lieblingsprodukt zu wählen. Das Brennnesselpesto und die Müsliriegel aus dem Erzgebirge werden mit Sicherheit auch ein paar Fans dazugewinnen.