: Bremen ist groß – in Europa
Bremen feiert seine Wiedergründung 1947 mit einem rein lokalen Festakt. Ganz „spontan“ sagte EU-Kommissar Günter Verheugen zu, der sowieso gerade hier war, und lobte die europäische Vielfalt
Von Klaus Wolschner
Der Festsaal des Rathauses war bis auf den letzten Platz besetzt, als gestern Vormittag vier Musiker der Bremer Philharmoniker das „amerikanische“ Streichquartett von Anton Dvorák anstimmten. Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) hatte zur Feierstunde geladen: Vor genau 60 Jahren war Bremen durch die Deklaration des US-Militärgouverneurs als selbstständiges Bundesland neu gegründet worden.
Auffallend lokal war die Liste der Gäste, die Böhrnsen begrüßte: der Präsident der Bürgerschaft, der des Staatsgerichtshofes, die Stadtoberen Bremerhavens, die Bremer Bundestagsabgeordneten von SPD und Grünen, die „gesellschaftlichen Kräfte“, die Ehrenbürger – und dann der frühere US-Botschafter John C. Kornblum, schließlich EU-Kommissar Günter Verheugen (SPD), der wegen des „Projekttages Europa“ an Bremer Schulen sowieso in Bremen weilte und „spontan“, wie Böhrnsen lobte, bereit war, für zwei Stunden ins Rathaus zu kommen.
Eine fast rein bremische Feierstunde also, und das offenbar gewollt: Keine Bundesprominenz, nicht einmal der aus Bremen stammende Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU), kein Repräsentant der Nachbarländer, schon gar nicht der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU).
„Sehr verehrter Herr Kornblum“, wandte sich Böhrnsen direkt an den früheren US-Botschafter, „wir werden nicht vergessen, was wir Ihrem Land zu verdanken haben. Sie haben uns befreit vom nationalsozialistischen Terror. Sie haben uns den Weg zurück in die demokratische Völkergemeinschaft geebnet.“ Böhrnsen erinnerte an die Bilder der Zerstörung und Verwüstung, an Hunger und Kälte. „Neu errichtet werden mussten nicht nur Häuser und Straßen, sondern auch die menschlichen Werte, die in den Jahren zwischen 1933 und 1945 zerstört worden waren.“ Der 22. Januar 1947 sei „Auftrag und Vermächtnis“, die Selbstständigkeit Bremens zu bewahren. Auch heute gelte, was damals Bürgermeister Wilhelm Kaisen (SPD) erkannt habe: „Das Rückgrat unserer Selbstständigkeit sind starke Häfen.“
Bürgerschaftspräsident Christian Weber (SPD) berichtete aus der Dokumentation des Staatsarchivs über die Anfänge Bremens nach 1945, Verheugen machte mit dem Hinweis Mut, dass Malta (399.000 EinwohnerInnen) und Luxemburg (474.000) immerhin EU-Mitglieder seien – in der EU stelle niemand das Nebeneinander von Großen und Kleinen in Frage. Verheugen erzählte, wie er einmal, das muss Anfang der 70er Jahre gewesen sein, für „seinen“ Innenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) eine Broschüre zur Neugliederung der Bundesrepublik vorbereitet habe, auf deren Titelblatt Bremen schon von der Landkarte verschwunden war – Genscher habe ihm eine Rede über die Bedeutung Bremens gehalten, das Druckwerk wurde eingestampft. Die Zukunft Europas liege in der Vielfalt, erklärte Verheugen. Bremen mit einem der wichtigsten Seehäfen gehöre dazu.
Kornblum lobte die BremerInnen, dass Kaisen das Land 1947 „nicht zu groß“ haben wollte und die Eingemeindung der sauren Umland-Wiesen ablehnte. Altbürgermeister Hans Koschnick (SPD) erinnerte daran, dass den Menschen 1947 die Sorge um Unterkunft und Ernährung dringender war als landespolitische Fragen. Dennoch sei die Wiedergründung Bremens als Bundesland wichtig gewesen: Sie machte Hoffnung, dass die USA für das Land eine Zukunft sahen.