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Archiv-Artikel

BERLIN - VON KENNERN FÜR KENNER Ein Fall für die Sprengmeister der Taliban

Natalie Tenbergs Gastro- und Gesellschaftskritik: Das Mirchi nennt seine Küche Singapore Style und ist meist gesteckt voll. Warum eigentlich?

Im strömenden Regen eines dunklen Abends verbreitet das Restaurant Mirchi an der Oranienburgerstraße in Berlin-Mitte von außen anheimelnde Stimmung. Gleich mehrere Heizpilze werden vor dem Eingang angefeuert, die Blätter der Kunstpalmen rauschen im Wind und die Markise bietet dem Wartenden einen behaglichen Unterschlupf, von dem aus man den Türsteher dabei beobachten kann, wie er halbherzig versucht, Laufpublikum ins Lokal zu lotsen. Ja, das Mirchi sieht aus wie ein bernsteinfarbenes, funkelndes Juwel in der Berliner Tristesse.

Im Restaurant herrscht die Kakofonie der Sprachen. Links fünf Niederländer, die sich lautstark über den vorherigen Abend unterhalten, rechts eine Gruppe Schwaben, die das Dekor kommentieren, dazwischen sitzen wir ziemlich eingekeilt und werden von Hindi-Clubmusik zugedingelt. Die Lautstärke, die im Mirchi herrscht, verstärkt das Gefühl der Enge auf Dauer ziemlich unangenehm. Bei der Beseitigung der Dekoration hätten die Sprengmeister der Taliban viel zu tun: Überall stehen und liegen Buddhafiguren herum. Die bunten Wände, das dunkle Holz und die Palmen im Restaurant schmeicheln dem Auge, doch der Mix wirkt schnell aufdringlich.

Seine Küche bezeichnet das Mirchi als Singapore Style, was als Freibrief gehandelt wird, sich zusammenhanglos durch Asien zu kochen. Die Betreiber der beiden Mirchi – das zweite liegt in der Oranienstraße in Kreuzberg – sind auch für die jeweils daneben liegenden indischen Restaurants Amrit verantwortlich. Auf ihrer Website geben sie an, aus Bombay zu stammen, folglich sollten die Mumbai Potatoes eigentlich eine sichere Wahl sein. Laut Karte sind das Kartoffeln mit frischem Basilikum, Koriander und Paprika.

Die Vorspeise wird mit verschiedenen Soßen auf welkem Salat serviert und ist geschmacklich meilenweit von Indien entfernt. Fettig und nichtssagend wie sie sind, würde ich sie geografisch eher dem Reibekuchenstand auf der Krefelder Kirmes zuordnen. Der Fisch Taytay müsste Fisch Bye-bye heißen, vergrault dieses krosse Stück Zanderfilet in Erdnusssoße jeden Appetit. Vielleicht sollte man das Essen nur anschauen, denn in der Präsentation der Speisen ist das Mirchi top. Die Gemüsestücke werden nicht geschnitten, sondern geschnitzt, das Porzellan ist hübsch, leider total verdeckt. Die Portionen sind nämlich so riesig, dass bei normalen Essern die Hälfte des Gerichts ganz sicher in den Abfalleimer wandert, eine Schande. Mirchi ist Hindi und heißt Chilli. Richtig heiß ist das Lokal aber nicht, sondern eine vordergründige Touristenfalle mit schlechtem Essen. Würde man die Stühle und Tische rauswerfen, man hätte ein schönes Tanzlokal, man müsste noch nicht einmal die Musik lauter drehen.