Invasion der Wollhandkrabbe

Fremde Tiere und Pflanzen siedeln in deutschen Gewässern und sorgen für Probleme

BERLIN taz ■ Eine Invasion fremder Pflanzen und Tiere bedroht nicht nur Nord- und Ostsee, sondern zunehmend auch die deutschen Binnengewässer. Dies hat eine Studie ergeben, die das Gutachterbüro AeT Umweltplanung in Koblenz im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz durchgeführt hat. Das Amt sucht nun nach Wegen, wie es die heimische Tier- und Pflanzenwelt vor den Exoten schützen kann.

46 fremde Arten gibt es an der Nordseeküste, 27 an der Ostseeküste und 76 in den Flüssen – allein 30 im Rhein. Neben den ökologischen Folgen ergäben sich auch wirtschaftliche Schäden in Millionenhöhe, so Diplombiologe Stefan Nehring, leitender Autor der Studie. „Die chinesische Wollhandkrabbe hat beispielsweise in deutschen Gewässern rund 80 Millionen Euro wirtschaftliche Kosten verursacht.“

Diese bis zu acht Zentimeter große Krabbe gehört zu den schlimmsten Invasoren. Sie gräbt Gänge in Deiche und andere Befestigungsanlagen und ist so für Erosionsschäden an den Ufern verantwortlich. Die Zebramuschel wiederum verstopft die Zuflussrohre von Wasserkraftwerken und könnte die Trinkwasserversorgung ganzer Städte gefährden. Einzelne Werke haben bereits ihre Ansaugrohre in tiefere Gefilde verlegen müssen. Überdies nehmen fremde Tiere heimischen Artgenossen den Lebensraum, wie beispielsweise die Körbchenmuschel.

Wie kommen die Tiere zu uns? „Sie schwimmen durch die Kanäle von einem Land ins nächste“, erklärt der Biologe. Seit Eröffnung des Main-Donau-Kanals 1992 kamen beispielsweise der Borstenwurm und die Donauassel in den Main und den Rhein. Auf demselben Weg erreichte 1995 auch der Höckerkrebs aus dem Schwarzen Meer den Main und eroberte innerhalb von zehn Jahren alle großen Flüsse. Andere Tiere kommen mit dem Schiff an, meist mit dem Ballastwasser der großen Frachter. 2,2 Millionen Tonnen Wasser sind es jährlich, schätzt das Umweltbundesamt. Jeden Tag werden 2,7 Millionen Organismen in deutschen Nordseehäfen freigesetzt. Die meisten blinden Passagiere kommen mit den hiesigen Umweltbedingungen nicht zurecht und sterben. Einige aber überleben und pflanzen sich fort.

Um der Invasion einen Riegel vorzuschieben, hat die Internationale Meeresorganisation der Vereinten Nationen (IMO) ein Abkommen beschlossen, wonach ab 2009 in den Tanks höchstens zehn Organismen pro Kubikmeter Wasser vorhanden sein dürfen. Bis entsprechende Reinigungstechnologien entwickelt sind, soll das Wasser nur auf hoher See ausgetauscht werden. „Dort sind die ökologischen Bedingungen ganz anders als an den Küsten“, sagt Christelle Otto vom Naturschutzbundesamt.

Um die Wanderungen durch die Kanäle zu unterbinden, könnte man Salzschleusen einrichten, sagt Stefan Nehring. Also Flussabschnitte mit Salzwasser anreichern, um eine Barriere für Süßwasserfische herzustellen oder umgekehrt. Eine andere Methode wäre, in bestimmten Flussabschnitten den PH-Wert zu ändern, um so eine Invasion von fremden Arten zu verhindern. SVEN KULKA