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Archiv-Artikel

Finnland hat Angst vor Uran

Regierung lehnt Anträge der Firma Areva-Cogema ab: Nach breitem Widerstand in der Bevölkerung darf das französische Konsortium nicht nach Uran suchen

Die Risiken der Atomkraft waren in Finnland lange ein Tabuthema

STOCKHOLM taz ■ Ausgerechnet im bislang atomfreundlichen Finnland hat die Atomindustrie eine herbe Niederlage einstecken müssen. Die französische Cogema, Tochter des Nuklearriesen Areva, wollte nach abbauwürdigen Uranvorkommen suchen. Die Regierung in Helsinki verweigerte jedoch Ende vergangener Woche die Genehmigung und begründete dies formal mit schlecht ausgearbeiteten Anträgen. Diese hätten nicht den Vorgaben des Bergbaugesetzes entsprochen.

Tatsächlich dürfte für die Entscheidung der Regierung aber die zur Zeit durchweg ablehnende Haltung der Bevölkerung eine Rolle gespielt haben – besonders in den vorgesehenen Suchgebieten. Überall in den acht süd- und nordwestfinnischen Gemeinden, in denen Areva-Cogema auf insgesamt 180 Quadratkilometern nach Uran suchen wollte, hatte sich lokaler Widerstand organisiert. Zwei Monate vor den Parlamentswahlen im März fürchtete man in Helsinki offenbar diese Stimmung. „Die Atomlobby ist in Finnland so stark, dass wir das Schlimmste befürchten mussten“, sagte Gun Wasenius-Hietanen von der Anti-Uran-Volksbewegung Uraaniton-Uranfri. Auch Umweltschutzorganisationen lobten das Nein des Handels- und Industrieministeriums. Gleichzeitig überraschte die Regierung mit einer anderen Entscheidung: Statt den Franzosen darf sich nun eine einheimische Firma in Ostfinnland auf die Suche nach Uranvorkommen machen.

Die Fischer um den See Kitkajärvi im ostfinnischen Kuusamo fürchten nun, dass ihre Fanggründe verschmutzt werden. Die dortige Bevölkerung sieht auch die Tourismuswirtschaft durch ausbleibende Gäste in Gefahr.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace demonstrierte zeitgleich mit der Bekanntgabe der Entscheidung vor dem Parlamentsgebäude in Helsinki gegen alle Arten der Uransuche. Auch Politiker, die eigentlich atomkraftfreundlichen Parteien angehören, sprachen sich für schärfere Regelungen aus, um in Zukunft Abbaugenehmigungen grundsätzlich zu erschweren.

Das aktuelle Bergbaugesetz ist seit vier Jahrzehnten nicht mehr überarbeitet worden. „Dieses Gesetz ist veraltet“, meint Tapani Veistola, Generalsekretär des finnischen Naturschutzverbands. Es gehe zu Lasten der Umwelt und der Land- und Forstwirtschaft. Außerdem locke es Uranspekulanten an. Uraaniton-Uranfri will nun die jetzige Stimmung nutzen, um ein für alle Mal die Möglichkeit eines Abbaus in Finnland gesetzlich zu stoppen.

Auch Greenpeace sieht Zeichen für einen Meinungsumschwung und hofft, dass mehr Finnen als bisher der untrennbare Zusammenhang zwischen schmutzigem Uranbergbau und angeblich „sauberer“ Atomkraft klar wird. Lauri Myllyvirta von Greenpeace Finnland meint: „Die Risiken der Atomkraft waren in Finnland lange ein Tabuthema. Doch mit der Aussicht auf eine Urangrube in eigener Nachbarschaft wacht man vielleicht endlich auf.“ Dabei sei dieser Zusammenhang glasklar: Mit Areva-Cogema baue sogar das gleiche Konsortium nun einen fünften finnischen Atomreaktor, das beispielsweise mit Urangruben in Gabun katastrophale Folgeschäden für Menschen und Umwelt zu verantworten habe.

Obwohl nur mit einem Urangehalt von 0,01 Prozent oder deutlich weniger zu rechen ist, sind für die Grubengesellschaften die nordeuropäischen Uranvorkommen aufgrund explosionsartig gestiegener Weltmarktpreise plötzlich interessant geworden. Die Regierung des Nachbarlandes Schweden hat daher im vergangenen Jahr mehr als ein Dutzend Genehmigungen für Untersuchungen in verschiedenen Regionen erteilt. Das Kabinett verweigert trotz Unruhe in der jeweiligen Lokalbevölkerung bislang eine klare Aussage, wie es sich zur Frage eines möglichen industriellen Abbaus stellen werde. REINHARD WOLFF