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Archiv-Artikel

Waggon als Museum

Die Kölner Initiative „Die Bahn erinnern“ macht den Bahnhofsvorplatz zum Erinnerungsort an die NS-Zeit

Das juristische Vorspiel war kurz aber erfolgreich. Nachdem das Kölner Ordnungsamt eingesehen hatte, dass ein Waggon auch eine Kundgebung sein kann, kann die Initiative „Die Bahn erinnern“ zum Shoa-Gedenktag am 27. Januar einen solchen als Ausstellungsraum auf dem Vorplatz des Kölner Hauptbahnhofs installieren.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Initiative mit den Institutionen in den Konflikt gerät. Im letzten Jahr hatte man ohne Genehmigung eine Bahnschwelle als Geschenk an die Stadt Köln vor dem Hauptbahnhof aufgestellt – als Erinnerung an die Beteiligung der Reichsbahn an den Deportationen im „Dritten Reich“. Nach einem kurzen Konflikt mit der Deutschen Bahn musste das Mahnmal zwar seinen Standort um wenige Meter verschieben, ist den Kölnern jedoch erhalten geblieben.

Dies wird bei der neuen Installation anders sein. Der Waggon ist eine Leihgabe des Eisenbahnmuseums Dieringhausen und baugleich mit den Güterwagen, die von den Nazis für die Deportationen in die Konzentrations- und Vernichtungslager verwendet wurden. Im Inneren des Waggons finden bis zum Monatsende täglich wechselnde Ausstellungen statt. Parallel dazu soll täglich eine Kundgebung veranstaltet werden, die jeweils eine spezifische Opfergruppe in den Vordergrund stellt. Wolfgang Heiermann von „Die Bahn erinnern“ sieht darin auch den Unterschied zur Initiative „11.000 jüdische Kinder“ von Beate und Serge Klarsfeld. Die Klarsfelds wollen mit einer Foto-Ausstellung in den Bahnhöfen an die Deportation jüdischer Kinder aus Frankreich erinnern und waren deswegen mit Bahnchef Hartmut Mehdorn in Konflikt geraten.

In der Kölner Waggon-Ausstellung geht es weniger um die „Bahn als Technologie“ der Deportationen, sondern vielmehr um die Menschen, die sie durchgeführt haben, erklärt Heiermann. Die Ereignisse, die sich auf dem Weg in die Konzentrationslager abgespielt haben, müssten noch mehr erforscht werden. Der Jurist erhofft sich dafür Unterstützung von Seiten der Bahngewerkschaft. Von einer Musealisierung der Erinnerung hält er jedoch wenig: „Wir wollen keinen Gedenkstein oder eine Plakette, sondern etwas Lebendiges, das zur Diskussion anregt.“CHRISTIAN WERTHSCHULTE