: „Nicht mal eine Zweckehe“
SCHWARZ-ROT Keine Liebesheirat, dennoch kann sich die GroKo-Bilanz sehen lassen, meint Unions-Politiker Michael Grosse-Brömer. Nun sollten die Grünen sagen, wo sie hinwollen
■ 53, ist Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion. Der Niedersachse sitzt seit 2002 im Bundestag.
INTERVIEW ANJA MAIER
taz: Herr Grosse-Brömer, gerade beginnt die parlamentarische Sommerpause, die erste Spielzeit der Großen Koalition ist vorüber. Ihre Einschätzung?
Michael Grosse-Brömer: Wir haben doch einiges auf den Weg gebracht. Insofern bin ich zufrieden, auch was das menschliche Miteinander in der Großen Koalition betrifft. Sie dürfen nicht vergessen: Wir waren nicht füreinander vorgesehen.
Keine Liebesheirat.
Nicht mal eine Zweckehe. Sondern eine Partnerschaft auf Zeit.
Mindestlohn, EEG, Rente – all diese Themen haben die Sozialdemokraten im Schnelldurchlauf durchgesetzt. Was hat eigentlich die Union erreicht?
Zunächst haben wir schon vor den Koalitionsverhandlungen klargemacht, wohin die Reise geht: keine Steuererhöhungen und weiter solide wirtschaften. Bei den Projekten, die jetzt von den SPD-Ministerien angestoßen wurden, haben wir noch entscheidende Veränderungen vorgenommen, um den Rentnern, den Arbeitnehmern, der Wirtschaft nicht zu schaden. Beim Mindestlohn haben wir für die Branchen tarifliche Übergänge geschaffen. Es gibt nun auch eine Tarifkommission, die den Mindestlohn evaluieren und anpassen wird. Wir haben die Mütterrente verabschiedet und schaffen flexible Übergänge am Ende des Arbeitslebens beim Übergang in die Rente. Da gibt’s eine ganz klare Handschrift der Union. Wir haben also die Gesetzentwürfe, die die SPD-Minister vorgelegt haben, eindeutig verbessert.
In der öffentlichen Wahrnehmung ist die SPD dennoch präsenter. Regiert die Union mit der SPD? Oder regiert eher die SPD mit der Union?
Wir regieren gemeinsam, nur das macht Sinn. Ich kann nur davor warnen, zu glauben, man könne sich mit jedem Gesetzesvorhaben einzeln profilieren. Das zeigen ja auch die Umfragen. Da bleibt die Union in der Wählergunst auf dem Niveau der Bundestagswahl.
Erstaunlich, nicht wahr?
Ganz und gar nicht. Die Umfragen zeigen, dass die Wähler zu Recht nicht davon ausgehen, die SPD sei der treibende Kern der Koalition. Ich warne uns auch gemeinsam davor, hier in einen Wettbewerb zu gehen. Man kann in einer Koalition nur gemeinsam erfolgreich sein, davon bin ich überzeugt. Und dass wir eine gute Kanzlerin haben, die vorneweg geht, macht uns natürlich besonders froh.
Welche eigenen Themen aus dem Koalitionsvertrag hat denn die Union nach der Sommerpause auf der Agenda?
Wir werden sicher die aktuelle Debatte um die Außen- und Sicherheitspolitik durch unsere Verteidigungsministerin maßgeblich mitbestimmen. Innenpolitisch beschäftigt uns das Thema der sicheren Drittstaaten. Wir wollen Asylverfahren beschleunigen, um einerseits Verfahren ohne Aussicht auf Erfolg schneller zu beenden und andererseits wirklich bedürftige Flüchtlinge, zum Beispiel aus Syrien, schnell aufnehmen zu können.
Die SPD scheint ja entschlossen, die Mietpreisbremse gesetzlich festzuschreiben. Ist das ein gemeinsames Projekt oder ist die Union wieder verdammt, auf den letzten Metern ein paar Änderungen durchzusetzen?
Wir sind immer der Auffassung, dass die Privatautonomie ein wichtiges Gut ist. Andererseits muss man sich fragen, wie man die Situation etwa für junge Familien in Ballungsräumen verbessern kann. Das diskutieren wir gerade. Am besten wäre es, mehr Wohnungen zu bauen, dann werden die Mieten nicht mehr so dramatisch steigen.
Gibt es Tage, an denen Sie bedauern, dass es nicht mit den Grünen geklappt hat?
Ich habe das Gefühl, die Grünen bedauern, dass sie nicht bereit waren, mit uns eine Koalition einzugehen. Wir hätten das gemacht. Der Vorsitzende Cem Özdemir hat ja kürzlich gesagt, seine Partei sei im Herbst noch nicht bereit gewesen, weil sie in der Selbstfindungsphase ist. Ich habe das Gefühl, die ist immer noch nicht abgeschlossen. Es wird aber Zeit. Die Grünen müssen langsam mal sagen, wo sie hinwollen.
Sie waren gerade in den USA und haben dort mit dem US-Handelsbeauftragten auch über das Freihandelsabkommen TTIP gesprochen.
Ja. Aber entgegen der aktuellen deutschen Debatte habe ich nicht nur die Risiken angesprochen, sondern auch die aus meiner Sicht riesigen Chancen, die TTIP bietet. Dieses Abkommen kann technische Standards für unsere mittelständischen Betriebe vereinfachen und neue Standards setzen. Letztlich hängt davon auch unser Wohlstand ab. Deshalb bedauere ich, dass immer gleich diese Chlorhühnchen-Hysterie erzeugt wird, anstatt mal darüber nachzudenken, welche Chancen TTIP birgt. Europa muss, das ist keine Frage, hart verhandeln. Aber ohne das Ergebnis zu kennen, wissen wir Deutsche mal wieder alles besser.
Die TTIP-Verhandlungen werden ohne Beteiligung der nationalen Parlamente und des EU-Parlaments geführt. Das müsste Sie als Parlamentarier doch hellhörig werden lassen.
Das ist so nicht richtig. So ein Abkommen muss von der Exekutive vorbereitet werden. Aber in welcher Form dann die Parlamente beteiligt werden, ist doch noch gar nicht klar. Das ist nun wirklich kein closed shop. Das Europäische Parlament wird regelmäßig informiert, die Verhandlungen sind transparent. Ich bedauere nur, dass die Kritiker sich immer damit profilieren, was gar nicht geht. Statt mal zu formulieren, wie es denn sein sollte, und so unsere Chancen zu definieren.