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Archiv-Artikel

„Spezielle Programme für Afrika“

Entwicklungsministerin Heide Wieczorek-Zeul (SPD) fordert ein Umdenken in der Afrikahilfe. Erneuerbare Energien müssen auch den Ärmsten nutzen

INTERVIEW ELISABETH SCHERERUND NICK REIMER

taz: Frau Wieczorek-Zeul, erstmals findet ab Montag ein Weltklimagipfel in Afrika statt. Hat Afrika nicht andere Probleme?

Heidemarie Wieczorek-Zeul: Nicolas Stern, der ehemalige Chefvolkswirt der Weltbank, hat diese Woche der britischen Regierung ökonomische Argumente für mehr Klimaschutz vorgelegt: Ohne stärkeren Klimaschutz wird das Produktionsvolumen der Weltwirtschaft um 5,5 Billionen Euro geschmälert – und zwar jährlich. Die Afrikaner kennen die ökonomischen Argumente längst. Ich durfte mir gerade auf dem Africa Partnership Forum ihre Klagen anhören: Die Belastung, die die Erdöl-importierenden afrikanischen Entwicklungsländer durch den Anstieg des Ölpreises aushalten müssen, fressen Effekte der Entwicklungshilfe auf. Ressourcenknappheit und Klimawandel sind in Afrika genauso real und sichtbar wie andernorts auf der Welt. Die Auswirkungen sind nur heute schon stärker.

Im Jahr 2004 waren Sie mit ihrem Kollegen Jürgen Trittin Gastgeber der „renewables“, der Weltkonferenz für erneuerbare Energien. Armutsbekämpfung – so ihr Argument – geht nur mit erneuerbarer Energie. Wie viele Menschen sind seitdem aus der Armut geholt worden?

Darüber gibt es keine seriösen, belastbaren Zahlen. Fakt ist aber, dass die von der Bundesregierung aufgelegten Programme auf breites Interesse in den Entwicklungsländern stoßen.

Aber nicht in Afrika!

Richtig ist, dass unsere Programme stark in Lateinamerika nachgefragt werden. Auch das Engagement in Südostasien ist groß. Richtig ist auch, dass es in Afrika noch zu wenig Abfragen gibt.

Kritiker behaupten, das liege am Zuschnitt der Programme: Die taugten einfach nicht für Afrika. Braucht Afrika spezielle Instrumente?

Ja. Etliche Programme werden über die Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau finanziert. Aber gerade in den ärmsten afrikanischen Staaten helfen Kredite nur bedingt weiter. Außerdem können sich nur die allerwenigsten Menschen in diesen Regionen erneuerbare Energien zu Marktpreisen leisten. Hier müssen wir stärker mit Zuschüssen arbeiten. Zudem mangelt es an gemeinsamen Planungsgrundlagen. Nicht zu vergessen: Viele afrikanischen Länder setzen auf die große Wasserkraft. Die meisten Großstaudämme haben zwar massive soziale und ökologische Konsequenzen, doch kaum Vorteile für die Armen in Gegenden ohne Stromnetz.

Eine Milliarde Euro bis 2007 hatte Gerhard Schröder auf dem Nachhaltigkeitsgipfel in Johannesburg versprochen. Das Geld ist bereits seit Beginn des Jahres ausgegeben. Wird der Topf noch einmal aufgefüllt?

Das ist mein erklärtes Ziel. Der deutsche G-8-Vorsitz und die EU-Ratspräsidentschaft sind geeignete Termine, das anzuschieben. Für die Aidsbekämpfung hat das Kabinett bereits jetzt mehr Geld bereitgestellt: 2007 sind im Haushalt 400 Millionen Euro vorgesehen, das ist eine Steigerung von 100 Millionen. Es geht allerdings nicht nur um neues Geld: Ich dränge darauf, dass sich die EU stärker engagiert. Zwischen Erkenntnis der Notwendigkeiten und der Bereitschaft zur Umsetzung klaffen bei den Europäern noch ziemlich große Lücken.

Auf welche politischen Initiativen wollen sie während der Präsidentschaften setzen?

Neben der finanziellen Steigerung der Entwicklungszusammenarbeit wollen wir das Sustainable Investment stärker in Afrika verankern. Kernaussage ist: Verantwortungsvoll handelnde Unternehmen rentieren sich langfristig. Einen besonderen Schwerpunkt legen wir dabei auf Transparenz bei der Rohstoffproduktion, vorrangig bei Ölunternehmen. Und natürlich geht es um verantwortliche Regierungsführung.

Ein Ergebnis der „renewables“ war, dass die Weltbank umsteuern will – weniger Geld für Großkraftwerke, mehr für die dezentralen neuen Energien. Wieso ist zwei Jahre später davon nicht zu spüren?

Die Weltbank hatte bei der Konferenz versprochen, ihr Portfolio für erneuerbare Energien jährlich um 20 Prozent zu steigern. Das hat sie eingelöst. Im Sommer hat die Weltbank zusätzlich ihr Dokument „Clean Energy and Development“ publiziert, das wir sehr stark unterstützt haben. Ein Projekt innerhalb dieses Papiers widmet sich ausdrücklich der Reduktion von Kohlendioxid. Leider aber haben die Amerikaner wieder gebremst. Das Umsteuern bei der Weltbank dauert also noch etwas. Aber seien Sie sicher, da bleibe ich dran!

Eines der aktuell wichtigsten klimapolitischen Instrumente ist der Clean Development Mechanism (CDM): Industrieländer investieren in Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern und können sich den Klimanutzen selbst gut schreiben. Tausend solcher Programme gibt es ungefähr, davon hunderte in China, kein einziges in Afrika. Woran liegt das?

Es gibt den Clean Development Mechanism durchaus in Afrika, es gibt vier Projekte in Südafrika, drei in Marokko und eines in Tunesien. Zugegeben, es könnten mehr sein, aber es gibt sie. Außerdem finde ich es ehrlich gesagt gut, dass die Chinesen von diesem Angebot so regen Gebrauch machen. Denn bei dem enormem Energieverbrauch Chinas kann das dem Weltklima nur nutzen. Und auf eine einfache Formel gebracht: Je mehr Alternativen China zum Erdöl hat, desto weniger wird es in Afrika seine wenig soziale und wenig nachhaltige „Öleinkaufstour“ fortsetzen

Um dem deutschen Klimaschutz neue Impulse zu geben, hat Bundesumweltminister Sigmar Gabriel in dieser Woche die Bildung eines „Industriekabinetts“ angeregt. Eine gute Idee?

Mir ist egal, wie man das nennt. Hauptsache ist, dass der Klimaschutz von allen Beteiligten im Kabinett als primäre Aufgabe angesehen wird. Das Ziel ist wichtig, was die Instrumente angeht, sind wir flexibel.

Gabriels Vorstoß verrät, dass es offenbar so nicht ist!

Das sehe ich anders. Der Bericht von Nicholas Stern sagt doch: Wer jetzt nichts tut, muss später umso mehr zahlen. Wenn jetzt den Briten dieser Gedanke einleuchtet und sie stärker Klimaschutz betreiben, ist das schön. Deutschland ist aber immer noch ein Vorreiter.