Kratzer im coolen Lack

PLAGIATSVORWURF Slavoj Žižek unter Beschuss

Der slowenische Philosoph Slavoj Žižek ist eine Provokation auf vielen Ebenen. In seinen Schriften stößt er Demokraten, Liberale, Naturschützer und Multikulturalisten gleichermaßen vor den Kopf. Bei seinen Auftritten provoziert er allein durch seine exzentrische physische Präsenz und irritierende Zwangsstörungen, die von andauerndem Hemdzupfen bis zu einer dauerlaufenden Nase reichen.

Am meisten aber provoziert, dass es Žižek als psychoanalytisch geschulter Marxist mit einem Hang zu totalitären leninistischen Lösungsvorschlägen zum populärsten Philosophen unserer Zeit gebracht hat. Mal wird er als „Elvis der Kulturtheorie“ empfunden, mal als „Ein-Mann-Mähdrescher“, der unter den schnell rotierenden Messern seiner Gedanken noch jede ideologische Gewissheit zuverlässig zu Mulch verarbeitet. Ein cooler Kommunist sozusagen.

Nun ist Slavoj Žižek genau dort unter Beschuss, wo es einen Intellektuellen am meisten schmerzt. Er soll als Plagiator entlarvt worden sein. Und das ist gar nicht cool. 2006 hatte Žižek für eine Zeitschrift der Universität von Chicago das dreibändige Werk „The Culture Of Critique“ von Kevin MacDonald rezensiert, ein antisemitisches Standardwerk der amerikanischen „White Supremacy“-Bewegung. Die Rezension bedient sich über weite Strecken des exakten Wortlauts einer wohlwollenden Kritik des gleichen Buchs, die der eher obskure Autor Stanley Hornbeck schon 1999 veröffentlicht hat – in der unverhohlen rassistischen Zeitschrift The American Renaissance. Erhoben werden die Vorwürfe von einem noch viel obskureren, weil anonymen Ankläger namens „Deogolwulf“, der sie allerdings in seinem Blog durch einen direkten Vergleich der fraglichen Textstellen untermauert. Sogar das US-Nachrichtenmagazin Newsweek fragte besorgt: „Hat der marxistische Starphilosoph Slavoj Žižek ein nationalistisches Journal plagiiert?“

Drei Tage nach der Enthüllung nun hat der Beschuldigte sich in einer E-Mail an die philosophische Website „Critical Theory“ erklärt: „Ein Freund erzählte mir von den Theorien Kevin MacDonalds, und ich bat ihn um eine kurze Zusammenfassung. Der Freund schickte sie und versicherte mir, ich könne darüber frei verfügen, weil es lediglich sein freies Fazit fremder Gedankengänge sei“. Er, Žižek, habe nicht gewusst, dass sich sein Freund dabei der Rezension von Hornbeck bedient habe, und die Passagen deshalb auch in „The Parallax View“ verwendet, seinem 2006 erschienenen Buch über Derrida. Den Vorwurf, geistiges Eigentum plagiiert oder „Gedanken gestohlen“ zu haben, weist Žižek vehement zurück: „Die problematischen Passagen sind rein informativ, eine Zusammenfassung der Theorie eines Dritten, für die ich keinerlei Sympathie hege. Nichtsdestotrotz bedauere ich den Vorfall zutiefst.“ Kein Wunder, zielt der anonyme Vorwurf doch „ad hominem“, also auf den Ruf des Vielschreibers. Die Affäre wird einen kleinen Kratzer auf seinem Lack hinterlassen. Sein Werk berührt sie nicht. Zumal er das Plagiat als solches ohnehin für ein romantisches Konzept der Bourgeoisie halten dürfte. ARNO FRANK