Autonome Selbstverstümmelung

Studierende blockieren Sitzung des Akademischen Senats: Der wollte ein Viertel der Professuren und drei Studiengänge streichen – um Sparvorgaben zu erfüllen. Jetzt soll eine Vollversammlung beraten

von Christian Jakob

„Da muss er jetzt durch“, sagt ein Beobachter. Ganze 45 Minuten muss sich Uni-Rektor Wilfried Müller am Mittwochmorgen im Senatssaal der Universität von hunderten aufgebrachten StudentInnen harsche Vorwürfe machen lassen. Eigentlich hätte zu dieser Zeit der Akademische Senat (AS), das höchste Beschlussgremium der Uni, tagen sollen. Auf der Agenda: die von der Landesregierung im Hochschulentwicklungsplan V (HEP V) verlangten Etat-Kürzungen. Deren Konsequenz: 74 von 314 Uni-Professuren müssten bis 2015 gestrichen, drei Studiengänge geschlossen werden.

Doch der Saal ist bereits voll. Gut 200 Studierende hocken auf dem Boden, Tische und Stühle haben sie beiseite geräumt, an den Wänden hängen „Kürzungen bekämpfen“-Transparente. Die Mitglieder des AS passen kaum mehr in den Saal. „Wir bleiben, bis die Sitzung offiziell abgesagt wird“, lassen die Studierenden sie wissen. Und: „Wir werden nicht zulassen, dass die Universität sich in vorauseilendem Gehorsam selbst verstümmelt.“

Was die Protestierenden besonders erbost: Müller hatte vom Akademischen Senat eigens eine Kommission einsetzen lassen. Diese sollte Vorschläge zur Umsetzung der vorgegebenen Kürzungsziele machen: welche Professuren künftig nicht mehr besetzt, welche Studiengänge geschlossen werden sollten. Gestern sollte der AS über den Vorschlag entscheiden: Einstellung der Studiengänge Sport, Behindertenpädagogik und Musik sowie die Ausdünnung weiterer Fachrichtungen. „Eigenverantwortliche Gestaltung“ hatte Müller dies kürzlich genannt – und mit dem Argument verteidigt, nur so sei die „Autonomie der akademischen Selbstverwaltung“ zu erhalten. „Was ist das für eine Autonomie, bei der ich selber entscheiden darf, welchen Arm ich mir abhacke?“, kommentierte der AStA.

Am Montag verteilte dieser einen Resolutionsentwurf an alle Lehrenden. Müller habe sich zum „Erfüllungsgehilfen“ der Landespolitik gemacht, heißt es darin – anstatt sich mit den Universitätsangehörigen „gegen die vermeintliche Sachzwanglogik“ zur Wehr zu setzen.

Ungemach ahnend schickte das Rektorat tags darauf eine „Klärung“ hinterher. Die Kritik der Studierenden sei „verständlich“, werde jedoch „mit falschen Argumenten“ geführt. Entgegen der Behauptung des AStA finde keine Fokussierung auf Profilstudiengänge statt. Allerdings hätten „Fächer, die in Forschung und Lehre hervorragende Leistungen erbringen, beste Chancen für die Zukunft“. Das Rektorat habe die Studiengänge „nicht gegeneinander ausgespielt“, sondern die Kürzungsberatungen der HEP-V-Kommission „moderiert“. Zudem habe man in nicht-öffentlichen Verhandlungen mit der Landesregierung „noch gravierendere Kürzungen“ verhindert. Bis Dienstagabend unterschrieben dennoch gut dreißig Lehrende das AStA-Papier.

Kommenden Mittwoch soll nun statt des AS eine uniweite Vollversammlung über die Kürzungspläne diskutieren – unter Beteiligung von Müller. Die für diesen Tag ursprünglich vorgesehene nächste Sitzung des AS soll dafür entfallen. Müller, der im Februar für eine zweite Amtszeit als Rektor kandidiert, stellte allerdings klar, dass die Beschlüsse der Vollversammlung nicht bindend für den AS sein könnten. Dies nämlich würde das Gremium politisch schwächen. Und das, so Müller, „gefährdet die Autonomie der akademischen Selbstverwaltung“.