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Archiv-Artikel

Bush geht die Puste aus KOMMENTAR VON BERND PICKERT

Es hätte tatsächlich eine historische Rede werden können: Bestrebt, den verbleibenden zwei Jahren seiner Präsidentschaft irgendeinen Sinn einzuhauchen, hätte US-Präsident George W. Bush seine jährliche Rede zur Lage der Nation nutzen können, um einen klaren Fahrplan vorzulegen. Am Dienstagabend sprach Bush vor den beiden Kammern des Parlaments und vor der versammelten Riege seiner In-spe-Kandidaten auf seine Nachfolge. Doch seine substanzlose Rede ließ jede Inspiration vermissen.

Bush gibt den Stoiber. Und die Öffentlichkeit? Rollt mit den Augen und wünscht sich, er wäre endlich weg.

Immerhin bemühte sich der Präsident, zum Kernthema Energie überhaupt einen Gedanken zu formulieren. Um 20 Prozent will Bush in den nächsten zehn Jahren den Benzinverbrauch in den USA senken und die Abhängigkeit der USA von Erdölimporten verringern. Aber die vorgetragene Standardliste von Optionen, mit denen dieses Ziel zu erreichen wäre, überzeugt niemanden. Unkonkret und ohne Prioritäten, bietet sie einer US-Regierung erst recht keine Handlungsanleitung.

Allenfalls taugen die Aussagen dazu, wie ein Analyst in Washington bemerkte, den Demokraten die Hoheit über das Thema streitig zu machen. Allerdings muss auffallen, dass Bush nicht ein einziges Mal die Wörter „Klimawandel“ oder „Erderwärmung“ in den Mund nahm – die notwendige Abkehr vom Öl begründete er ausschließlich mit sicherheitspolitischen Argumenten. Umwelt? Nachhaltigkeit? Zukunft? Kein Thema. Wieder einmal hängt die präsidentielle Einsicht der Diskussion selbst in den USA weit hinterher.

Auch zu den Themen Irak und Terror hatte Bush nichts Neues zu sagen. Stattdessen gab es den bekannten Mix aus Angstmache und Durchhalteparolen. Lediglich ein leicht devoter Unterton, als er den mehrheitlich oppositionellen Kongress bat, seiner „neuen“ Irakstrategie eine Chance zu geben, unterschied sie von früheren Reden.

US-Präsidenten im letzten Amtsjahr gelten gemeinhin als „lahme Enten“, die nichts mehr bewegen können. Bush ist, um das Bild weiterzutreiben, schon jetzt, ein Jahr früher, so eine lahme Ente – aber eine, die um sich schießt.

BERND PICKERT