: Wie Einblicke in den Notizkasten
BLICKOBJEKTE Schöne Einstiegsangebote in einen einzigartigen Modus der Bildreflexion: Der gelungene Omnibusfilm „Eine Serie von Gedanken“ des Experimentalfilmers Heinz Emigholz (Forum)
Heinz Emigholz bewegt sich seit seinen ersten Experimentalfilmen in den frühen Siebzigerjahren flüssig zwischen (mindestens) Kino, bildender Kunst und Literatur. Sein ausuferndes Werk entfaltet sich über die verschiedenen Künste hinweg. Im Forum der Berlinale ist eine Art Emigholz-Omnibusfilm zu sehen, der einen Blick in den Notizkasten des Universums Emigholz erlaubt. „Eine Serie von Gedanken“ setzt sich aus vier in sich geschlossenen, essayistischen Kurzfilmen zusammen. Das Material stammt aus älteren Projekten, aus Spielfilmen, Hörspielen, Büchern, Vorträgen und wird in Emigholz’ Montage vergrößert, umgewertet, rekonfiguriert.
„Eine Serie von Gedanken“ ist ein schönes Einstiegsangebot in Heinz Emigholz’ einzigartigen Modus der Bildreflexion. Die ersten drei Abschnitte verbinden visuelles Material aus sehr unterschiedlichen medialen Quellen (Fotografie, Fernsehen, Gemälde) mit Voice-over-Kommentaren, die mal nah, mal weit weniger nah an den Bildern bleiben. „Ein Museumsbau in Essen“, der letzte Gedanke der Serie, schließt an Emigholz’ Architekturfilme an. Der Regisseur filmte das neu errichtete Folkwang-Museum Anfang 2009 kurz nach seiner Fertigstellung und kurz vor seiner Einräumung, in der kurzen Zeitspanne, in der nicht die jeweilige Ausstellung, sondern das Gebäude selbst das primäre Blickobjekt sein durfte.
Das faszinierendste Segment aber ist dasjenige, in dem Bild und Ton am weitesten auseinanderklaffen: „Leonardos Tränen“ verbindet Fernsehaufnahmen des brasilianischen Fußballspielers Leonardo Nascimento de Araújo während der Weltmeisterschaft 1998 mit einem Hörspiel, das ein Jahrzehnt vorher produziert wurde. Während Leonardo, eher funktionales als herausragendes Mitglied einer der besten Fußballmannschaften aller Zeiten, gefoult wird, gestikuliert, zum Eckball läuft, sich den Schweiß vom Gesicht wischt, tragen vier verschiedene Sprecher melancholische, wütende Texte über Kunst, Homosexualität und das Verzweifeln an der Gegenwart vor. LUKAS FOERSTER
■ Heute, 20 Uhr, Arsenal