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Archiv-Artikel

Genussreise auf der Schwäbischen Alb

KULINARISCHES Albbüffel, Alblamm und Albmus sind nur einige der Spezialitäten aus der süddeutschen Region

Schwäbische Alb

Regionale Vermarktung steht an oberster Stelle von zahlreichen kleinen Betrieben auf der Schwäbischen Alb:

Erzeugergemeinschaft Albbüffel, St. Johann-Gächingen, Tel. (0 71 22) 8 28 70, www.albbueffel.de

Schäferei Stotz, Münsingen, Tel. (0 73 81) 1 41 4 www.schaeferstotz. de

Öko-Erzeugergemeinschaft Alb-Leisa, Lauterach, Tel. (0 73 75) 92 22 93, www.alb-leisa.de

Informationen zum Unesco- Biosphärengebiet Schwäbische Alb gibt es unter www.biosphaerengebiet-alb.de

Lesetipp: Von Sabine Herre erschien das Buch „Von Alblämmern und Landgockeln. Genuss-Geschichten aus Baden-Württemberg“, Hirzel-Verlag, Stuttgart, 2010, 167 Seiten, 19,80 Euro

VON SABINE HERRE

Die Schwäbische Alb galt bisher nicht als eine Genussregion. Karge Wacholderheiden, raue Ostwinde und einer der größten Truppenübungsplätze der Bundeswehr – das war es, was das Bild von dem Höhenzug zwischen Neckar und Donau prägte. Doch dies hat sich nun geändert. Aus dem Truppenübungsplatz ist das Zentrum eines Biosphärenreservats geworden, und in ganz Deutschland existiert kein anderer Landstrich, in dem so viele traditionelle regionale Spezialitäten neu entdeckt werden.

Es gibt Alblamm und Albbüffel, Albschnecken, Alblinsen und Albdinkel, den man nicht nur zu Spätzle, sondern auch zu Bier verarbeitet. Am ungewöhnlichsten aber ist das Albmus, ein schwarzer Brei aus gerösteten Getreidekörnern, der jahrhundertelang die Hauptnahrung auf der mit Reichtümern nicht gerade gesegneten Alb war. Inzwischen wurde das Musmehl ebenso wie Schnecken und Linsen in die Slow-Food-Arche zur Erhaltung vom Aussterben bedrohter Produkte aufgenommen.

Das Alblamm aber hat es sogar bis in die Sterneküchen von Harald Wohlfahrt und Claus-Peter Lumpp in Baiersbronn geschafft, wo es dem Salzwiesenlamm aus Frankreich Konkurrenz macht. Doch woher kommt der kulinarische Höhenflug?

Roman Lenz, Professor an der Hochschule in Nürtingen, hat hierauf eine Antwort, die aus nur einem Wort besteht: „Plenum“. Und auch Biobauer Woldemar Mammel, der vor 25 Jahren mit dem Wiederanbau der fast verschwundenen Alblinse begann, sagt: „Ohne Plenum hätten viele Projekte auf der Alb sich nicht so weit entwickeln können.“

Plenum, das ist das „Projekt des Landes zur Erhaltung von Natur und Umwelt“, das jedes Jahr über 1 Million Euro in fünf ausgewählte Regionen Baden-Württembergs steckt. Ziel ist es, Initiativen „von unten“ zu fördern, um damit den „Herausforderungen globaler Märkte“ begegnen zu können. Von den öffentlichen Geldern erhielt die Schwäbische Alb im Jahr 2009 gut 240.000 Euro, womit nicht nur das Anlegen von Kräuter- oder Obstlehrpfaden, sondern auch ein „Bag-in-Box“-Projekt gefördert wurde.

Mit diesen Abfüllanlagen können Besitzer von Streuobstwiesen ihren eigenen Apfelsaft herstellen. Was nach den Projekten einer rot-grünen Regierung aussieht, stammt tatsächlich von einer konservativen CDU/FDP-Koalition. Denn die Ideen einer alternativen Landwirtschaft sind inzwischen auch in ehemals tiefschwarzen Regionen wie der Schwäbischen Alb auf dem Vormarsch. Dies hat vor allem einen ökonomischen Grund: Alltag auf der Alb ist, dass in den letzten acht Jahren noch einmal ein Fünftel der landwirtschaftlichen Höfe dichtmachen musste.

Um ihr Überleben zu sichern, suchen daher sowohl konventionelle Landwirte als auch Biobauern ständig nach neuen Verdienstmöglichkeiten, und so führte die tiefe Krise der Landwirtschaft zu einer neuen Vielfalt regionaler Produkte. Eine Vielfalt, die Besucher beim „Bauernhofbrunch“, in einem Biohotel wie der „Rose“ in Hayingen-Ehestetten, auf unzähligen Oster- und Bauernmärkten oder bei einer Radtour durchs wild-romantische Lautertal kennenlernen können.

Hier im Lautertal wurde von Plenum auch die Ansiedlung von rumänischen Wasserbüffeln unterstützt. Was natürlich zunächst auf Kritik stieß und die Frage nach der regionaler Tradition dieser südosteuropäischen Büffel aufkommen ließ. Doch ein Mitarbeiter des projektbegleitenden Büros vergrub sich tief in historischen Archiven und fand schließlich Erstaunliches: Bereits vor 120.000 Jahren sollen Büffel auf der Schwäbischen Alb heimisch gewesen sein. Weshalb man diese mit Fug und Recht auch Albbüffel nennen dürfe.

Doch egal, ob man den Albbüffel nun für ein typisches Albprodukt hält oder nicht – für die Genießer entscheidend ist letztendlich die Frage, welche Qualität das Fleisch hat. Ein Tafelspitz vom Büffel ist dunkler als der eines Rindes, er ist leicht marmoriert, hat kurze Fasern und lässt sich sowohl in der Brühe garen als auch in der Pfanne braten.

Und während Fleisch aus industrieller Mast beim Braten oft Wasser abgibt und immer kleiner wird, geht das Fleisch des Büffels in der Pfanne auf. Der Geschmack aber, da sind sich die Albbüffel-Liebhaber einig, ist intensiver als der von Rindfleisch und hat „einen Hauch von Wild“.

Am ungewöhnlichsten ist das Albmus, ein Brei aus gerösteten Getreidekörnern

Und so „rennt das Geschäft wie geschmiert“, wie Büffelzüchter Willi Wolf sagt. Auf seinen Weiden bei Meidelstetten hält er rund 170 Büffel, doch kann er gar nicht so viele Tiere liefern, wie nachgefragt werden. Dafür ist natürlich nicht nur das staatlich geförderte Marketing verantwortlich. Sondern, so Agrarwissenschaftler Roman Lenz, „ein kreatives Milieu, ein Netzwerk von Qualitätsfanatikern“.

Einer dieser Netzwerker ist Ludwig Failenschmid, Metzgermeister aus Gächingen, den die Zeitschrift Der Feinschmecker zu den besten Deutschlands zählt. Über die Alb hinaus bekannt wurde Failenschmid durch seinen luftgetrockneten Speck, den er nach dem Vorbild des toskanischen „Lardo di Colonnata“ für die Erzeugergemeinschaft der schwäbisch-hallischen Schweine entwickelte. Ein anderer der – wie Roman Lenz sagt – „Leuchttürme der Alb“ ist der Münsinger Gerhard Stotz, der wohl bekannteste Schäfer Baden-Württembergs. Mit Schäferschippe, Hut und weitem, wärmendem Umhang wirbt er für das Alblamm, das seit dem 15. Jahrhundert die Landschaft zwischen Neckar und Donau geprägt hat.

Vor allem das 18. Jahrhundert, als Wollmärkte in Göppingen und Kirchheim/Teck entstanden, gilt als goldenes Zeitalter der Schafhalter auf der Alb. Doch dies ist lange vorbei. Inzwischen ist die Wolle der Schafe nur noch wenige Cent wert, allein vom Verkauf von Lammfleisch kann selbst ein Schäfer wie Gerhard Stotz nicht leben, und so suchte die Landesregierung auch hier nach einem Weg, um das regionale Produkt zu erhalten. Und fand gemeinsam mit Naturschützern einen geradezu genialen Weg: Man beschloss, die Albschafe zur Landschaftspflege einzusetzen und dies mit staatlichen Geldern zu fördern.

Gäbe es die Schafe nicht, die die Wacholderwiesen abgrasen, würde die Alb nach und nach verbuschen und ihren traditionellen Charakter verlieren. Zugleich verleihen die Kräuter der Albweiden, zum Beispiel wilder Majoran und Wiesensalbei, dem Lammfleisch seinen besonderen würzigen Geschmack.

Gut also, dass immer mehr Schwaben statt Lamm aus Neuseeland das Fleisch des Alblamms kaufen und damit einen der wichtigsten Leitsprüche von Slow Food beherzigen: „Erhaltet die Tiere, esst sie auf!“