: Applikationen im Schritt
Vom Wesen der Fußballhose. Das Wahrheit-Essay zum Rückrundenstart der Bundesliga
Eine Hose ist eine Hose ist eine Hose – wer meint, über Fußballerhosen gebe es nicht mehr zu sagen, irrt. Allein ein Blick auf Fotos aus den Anfangstagen des Fußballsports offenbart, dass kein anderes Kleidungsstück des Fußballers stärker den Modeströmungen des vergangenen Jahrhunderts unterworfen war als die Hose.
Begeben wir uns auf eine kleine Zeitreise: Anfang des 20. Jahrhunderts laufen die Spieler in veritablen Beinkleidern auf, die ihrem Namen alle Ehre machen. Sie reichen bis übers Knie und garantieren maximale Bewegungsfreiheit bei Blutgrätsche und Beinschere. Doch der „Unterleibsburka“ (Sepp Herberger) ist auf Dauer kein Erfolg beschieden, in den folgenden Jahrzehnten werden die Hosen der Spieler sukzessive kürzer.
In den Siebzigerjahren ist dann der Kulminationspunkt des Hox (Hosenlängenindex) erreicht. Kurz und knapp heißt die Devise – die stoffarmen Hosen bringen die Furcht einflößenden Oberschenkel eines Gerd Müller dementsprechend eindrucksvoll zur Geltung.
Seit dieser Zeit extremer Körperbetonung ist wieder eine allmähliche Rückbesinnung auf gemäßigte Längenwerte zu beobachten. Von der Material- und Ausrüstungsseite her sind heute Webware aus 100 Prozent Polyester, Einsätze aus Smartbreath classic piquée, Innenslip aus elastischem Webmaterial und die Kordel im Bund Standard. Wie ist es aber um die Zukunft der Fußball-Shorts bestellt? Auf der Münchner Sportartikelmesse Ispo, die kürzlich erst ihre Tore schloss, waren die Zukunftsideen führender Sportmodendesigner zu bestaunen.
Puma setzt ganz auf „weiche“ Faktoren wie Design und Ästhetik. Innovative Farbeffekte, glitzernde Vereinslogo-Hologramme oder Applikationen aus Swarowski-Kristallen im Schritt sollen nach Meinung der Herzogenauracher Schluss machen mit der so langweilig-uniformen Spielerkleidung vergangener Jahre und nun die En-Vogue-Ära der individualisierten Fußballerhose einläuten.
Adidas dagegen forciert die „intelligente Hose“. Durch Einsatz von flexiblen Display-Folien wird es in absehbarer Zeit möglich sein, alle relevanten Daten des Spielers auf seinem Hinterteil anzuzeigen. Aktuelle Schrittgeschwindigkeit, Gesamtlaufleistung, Anzahl der Ballkontakte bis hin zu Laktatwerten und Körpertemperatur – allesamt unverzichtbare Informationen zur Bewertung seiner Leistung.
Traditionsbewussten Sportfreunden ist dies alles selbstverständlich ein Graus. Sie können da nur noch hoffen, dass die Bayern irgendwann wieder die High- Tech-Shorts im Spind lassen und endlich mal in der vielbesungenen guten alten Lederhose auflaufen. Denn was macht mehr Spaß, als ihnen dieselbe auszuziehen? RÜDIGER KIND