: Feminismus war immer kontrovers
Von Anfang an hat die Emma selbstbewusst Frauen und weibliche Lebenspraxen in den Vordergrund gestellt und Themen angesprochen, die in anderen Medien nicht vorkamen: Selbstbestimmung über Körper, Mutterschaft und Leben, Hausarbeit und Beruf. 30 Jahre später sind viele dieser Themen im bundesrepublikanischen Alltag angekommen. Frauen entscheiden weitgehend, ob und wie sie Kinder bekommen und wie sie ihren beruflichen Weg planen, Erziehungszeiten für Männer sind im Gespräch und teilweise Gesetz. Das ist ein Erfolg!
Zugleich ist aber das Ziel noch nicht erreicht. Die Selbstbestimmung über Körper und Leben im neoliberalen Rahmen ist verknüpft mit der Zuweisung individueller Schuldzuweisung und Vereinzelung im Falle des „Nichtfunktionierens“. Zwar reden alle über Familie als neuen Wert, aber tatsächlich fehlt der neuen Selbstbestimmung doch die Einbindung in Gemeinschaft. Dies wird auch an der Jubilarin Emma deutlich: Sie tut sich schwer, in die gesamtgesellschaftlichen Umbrüche politisch und analytisch in einer Weise einzugreifen, die den Notwendigkeiten neuer Orientierung gerecht wird.
So ist es fast schon ein Witz, dass mitten in diese schwierige Phase des Umbruchs, in der fast alles neu bedacht werden will, die bundesrepublikanische Presse, – allen voran FAZ und Spiegel – mit hochrotem Kopf die Gefahr des Feminismus für Frieden und Ordnung beschreit. Unablässig konstruieren sie dabei ein immer gleiches Bild des Feminismus: veraltete 70er-Jahre-Bewegung – Emma – Alice Schwarzer, als habe es in der feministischen Bewegung nicht von Beginn an Vielstimmigkeit, Diskussion und heftige Kontroversen gegeben. Aber bekräftigen wir sie doch in unserem Sinn: Ja, sie haben Recht, Feminismus ist aktuell und bedeutsam, wenn er sich gegen gemütliche Gedanken und Lebenspraxen richtet.
Mit diesem feministischen Blick verschieben wir die aufgeregt-zufriedenen Definitionen von Spiegel und FAZ, was falsches und richtiges Frauenleben sei in Richtung gesamtgesellschaftlicher Veränderung. Wo vorher die Frauen falsch oder richtig waren – und die SchreiberInnen selbstverständlich auf der richtigen Seite stehen –, stellen wir Fragen an die Organisation des Lebens und Produzierens und an unsere Eingebundenheit darin. Diese Fragen sind notwendig für alle, da nur so ein allgemeines genussvolles Leben und Arbeiten denkbar ist. JUTTA MEYER-SIEBERT
KAREN HAUBENREISSER
Karen Haubenreisser, 39, ist Psychologin und Geschäftsführerin des Bildungs- und Beschäftigungsträgers FLAKS e. V. – Zentrum für Frauen in Altona-NordJutta Meyer-Siebert, 59, ist Psychologin und Lehrbeauftragte an der Universität Hannover, seit Anfang der 80er Mitglied der Frauenredaktion „Das Argument“