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Archiv-Artikel

Emotionen bitte nicht hier

Nach der Absage, eine Ausstellung über deportierte jüdische Kinder in Bahnhöfen zu zeigen, versucht die Deutsche Bahn ihr Image aufzubessern – und unterstützt „Der letzte Zug“, ein neues Erinnerungsspektakel von Joseph Vilsmaier

Eine gerade in die Welt gesetzte Mitteilung der Deutschen Bahn AG weist ihren Chef Hartmut Mehdorn als engagierten Erinnerungsarbeiter und zugleich gewieften Medientheoretiker aus. Das Unternehmen, so heißt es da, unterstützt „Produktion und Öffentlichkeitsarbeit“ des Spielfilms „Der letzte Zug“, der sich, frei nach Truffaut, auf die historische Verantwortung des Unternehmens für die von der Reichsbahn bewerkstelligten Deportationen im Nationalsozialismus besinnt.

Hatte Mehdorn schon seit geraumer Zeit von vielen Seiten heftige Schelte dafür erhalten, dass er sich weigert, deutsche Bahnhöfe für eine Fotoausstellung über deportierte jüdische Kinder zu öffnen, so will er seine Kritiker nun offenbar mit filmischen Mitteln in die Knie zwingen. „Der Film“, so heißt es nämlich, „beginnt mit einem Kameraschwenk auf das Mahnmal am Bahnhof Berlin-Grunewald, das die Deutsche Bahn AG errichtet hat, um an die Verbrechen der Nationalsozialisten zu erinnern.“ Das Mahnmal am S-Bahnhof Grunewald ist zwar öffentlich zugänglich, liegt aber außerhalb des täglichen Publikumsverkehrs. Deshalb ist dieser Schwenk zugleich einer vom Innern deutscher Bahnhöfe weg, die zwar zum Shoppen und Futtern da sein, aber keine Fläche für eventuell kundenschreckendes Bildmaterial bieten sollen. Das Thema, so ließ Mehdorn verlauten, „ist viel zu ernst, als dass man sich Brötchen kauend und in Eile auf dem Weg zum Zug damit beschäftigen kann.“

Die französische Bahn teilte solche Bedenken jedenfalls nicht und machte sich keine Sorgen, dass ihren Kunden der Reiseproviant im Hals stecken bliebe. So wurde die von Beate und Serge Klarsfeld initiierte Ausstellung mit dem Titel „11.000 jüdische Kinder. Mit der Reichsbahn in den Tod“ dort bereits vor einem Jahr auf 18 Bahnhöfen gezeigt. Die Klarsfelds engagieren sich seitdem dafür, dass das auch in Deutschland möglich wird, bekamen von der Bahndirektion aber, wie Beate Klarsfeld klagt, nur „unerfreuliche Briefe“ und inakzeptable Vorschläge. So bot das Unternehmen an, die Ausstellung im Nürnberger Eisenbahnmuseum, also in beschaulichster Abgeschiedenheit, zu zeigen.

Nachdem sich der Zentralrat der Juden der Sache bereits angenommen hatte, suchen mittlerweile auch hochrangige Politiker der Grünen und der SPD, darunter Bundesverkehrsminister Tiefensee, die Konfrontation mit Mehdorn. Der jedoch beharrt in seiner jüngsten Verlautbarung darauf, in Sachen Vergangenheitsbewältigung die Hosen selbst anzuhaben: „Auf andere Weise als ein Mahnmal oder auch unsere Ausstellungsarbeit im DB Museum in Nürnberg kann der Film die Menschen emotional berühren. Als mich Artur Brauner bat, den Film zu unterstützen, haben wir als Unternehmen sofort zugesagt“, erinnert sich der emotional berührte Entscheider an seine prompte Reaktion. In „beeindruckenden Bildern“ schildere der Film „die Verzweiflung und letzte Hoffnung einer Gruppe von Juden (…), die 1943 von Berlin nach Auschwitz deportiert werden“.

Artur Brauner ist der Produzent von „Der letzte Zug“, Joseph Vilsmaier („Stalingrad“) und Dana Vávróva führen Regie, Gedeon Burkhard und Sibel Kekili spielen die Hauptrollen. Das Prädikat „Besonders wertvoll“ ist dem Film von der Wiesbadener Filmbewertungsstelle bereits angeheftet worden. Wer sich mit eigenen Augen überzeugen will, hat ab dem 9. November bundesweit die Möglichkeit. Im Anschluss an den Kinobesuch empfiehlt sich vielleicht ein Abstecher zum Burger King des jeweils nächstgelegenen Bahnhofs.

RONALD DÜKER