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Archiv-Artikel

Die Besungene

Die Wahl von „la Merkel“ weckte in Spanien Hoffnungen auf eine neue Blütezeit der Beziehungen, wie einst unter Helmut Kohl und Felipe González. Doch anders als der katholische Kohl wurde die protestantische Kanzlerin Merkel durch ihren harten Kurs gegenüber Südeuropa in der Eurokrise schnell zum Inbegriff der „hässlichen Deutschen“. 2011 löste sie einen Sturm der Entrüstung aus, als sie demagogisch erklärte: „Wir können nicht eine Währung haben, und der eine kriegt ganz viel Urlaub und der andere ganz wenig.“ Es gehe nicht nur darum, keine Schulden zu machen: „Es geht auch darum, dass man in Ländern wie Spanien nicht früher in Rente gehen kann als in Deutschland, dass alle sich auch ein wenig gleich anstrengen – das ist wichtig.“ Auf den Protesten gegen die Sparpolitik war Merkel fortan Ziel des Volkszorns. Bilder, die sie mit einem Hitlerbärtchen zeigen, wurden ebenso populär wie Merkel als Domina, die ihren spanischen Amtskollegen, den ebenfalls konservativen Mariano Rajoy, züchtigt. Der Liedermacher Alejo Stivel wurde mit einem Lied an die Bundeskanzlerin populär. Er nahm den Song „Ójala“ – „Hoffentlich“ – des kubanischen Künstlers Silvio Rodríguez zusammen mit Lehrern, Krankenhauspersonal, Immigranten, Rentnern erneut auf. Im Lied, das ursprünglich die Enttäuschung über Revolutionsführer Castro zum Ausdruck brachte, heißt es zu Bildern von Protesten, Zwangsräumungen und Polizeieinsätzen im Wechsel mit einer lächelnden Merkel: „Hoffentlich berühren die Blätter deinen Körper nicht, wenn sie fallen, sodass du sie nicht in Glas verwandeln kannst. Hoffentlich vergehen dein stetiger Blick, das perfekte Lächeln. Hoffentlich passiert etwas, was dich plötzlich auslöscht, ein blendendes Licht, ein Schuss aus Schnee, hoffentlich nimmt mich der Tod mit, damit ich dich nicht so oft sehe ….“

REINER WANDLER, Madrid